Elke Mugova ist seit mehreren Jahren als Bergbau- und Grubenwasserforscherin tätig und arbeitet derzeit am Fraunhofer IEG im Competence Center for Post-Mining-Exploitation im Rahmen des EU-Projekts PUSH-IT. Im Gespräch mit dem Bundesverband Geothermie e. V. berichtet sie, wie sie zur Forschung über Bergbau und Grubenwasser kam und welche Potenziale und Herausforderungen sie insbesondere im Bereich der geothermischen Nutzung von Bergbaufolgelandschaften sieht.
Welche Erfahrungen in der Kindheit und Jugend haben Sie für Ihren weiteren Berufsweg geprägt?
Ich bin in Sachsen aufgewachsen, in der Nähe von Zwickau, also am Rande des Erzgebirges, einer Region, die stark vom Bergbau geprägt ist. Zwar wurde der WISMUT-Bergbau schon 1990, bevor ich geboren wurde, eingestellt, aber seine Spuren waren noch sichtbar. Bereits als Kind war ich von diesen bergbaulichen Hinterlassenschaften fasziniert – den „bunten Teichen“ oder den Spitzkegelhalden, die man unweit meiner Heimatstadt sehen konnte. Meine Eltern haben oft mit mir Ausflüge zu Besucherbergwerken unternommen, und sogar mein Kindergeburtstag fand einmal in einem Bergwerk statt. Wenn ich heute auf meinen Weg zurückschaue, merke ich: Diese frühen Kindheitserfahrungen im Umfeld des Bergbaus haben mein Herz für die Geowissenschaften geöffnet und meinen beruflichen Weg entscheidend geprägt.
Gab es frühe (weibliche) Vorbilder?
Ja, tatsächlich. Eine wichtige Rolle hat meine Biologielehrerin gespielt. Sie war unglaublich engagiert und hat es geschafft, uns Kinder für naturwissenschaftliche Themen zu begeistern. Sie leitete auch eine Biologie-AG, wir konnten erste Erfahrung in der „Geländearbeit“ sammeln. Diese Eindrücke haben bei mir den Grundstein gelegt für mein späteres Interesse an den Naturwissenschaften und letztlich auch dafür, dass ich mich für ein geowissenschaftliches Studium entschieden habe.
Warum haben Sie sich für ein Studium der Geowissenschaften entschieden?
Nach dem Abitur 2010 habe ich zunächst an der TU Bergakademie Freiberg das Studium Wirtschaftsingenieurwesen begonnen, doch schnell gemerkt, dass mir der naturwissenschaftliche Anteil fehlt und ich lieber in Richtung Geowissenschaften gehen möchte. Also habe ich mich für den Bachelor Geoökologie eingeschrieben, einem interdisziplinären geowissenschaftlichen Studiengang, und später meinen Master in Hydrogeologie und Ingenieurgeologie absolviert. Fast meine gesamten freien Wahlmodule habe ich im Fachbereich Bergbau belegt – das Thema hat mich einfach nie losgelassen!
Wie haben Sie das Studium in Hinblick auf Gleichberechtigung erlebt?
In meinem Studiengang selbst war das Verhältnis zwischen Frauen und Männern recht ausgeglichen. Es gab auch viele Dozentinnen, was ich als sehr positiv empfunden habe. Insgesamt war die Atmosphäre an der TU Bergakademie in Freiberg sehr offen und gleichberechtigt. Allerdings ist die Universität insgesamt eher technisch geprägt, und dadurch gibt es in anderen Bereichen deutlich weniger Studentinnen. Das habe ich zwar wahrgenommen, aber im Studienalltag hatte das für mich keine Rolle gespielt.
Etwas anders war es bei Tagungen und Konferenzen, an denen ich bereits während des Studiums teilgenommen habe. Dort war das Bild ein ganz anderes: meist saßen da vor allem ältere Männer, häufig mit jahrzehntelanger Berufserfahrung. Ich war oft eine der wenigen jungen Frauen im Raum. Ich hatte manchmal ein bisschen das Gefühl, „allein auf weiter Flur“ zu sein. Das war kein unangenehmes Gefühl, aber schon ein Moment, in dem mir bewusst wurde, wie ungleich die Geschlechterverteilung in bestimmten Fachbereichen noch ist.
Gab es Mentorinnen und Mentoren, die im Laufe Ihrer Karriere wichtig waren?
Ja, auf jeden Fall. Während meines Masters hatte ich 2014 die Möglichkeit, ein halbes Jahr in Südafrika zu verbringen. Dort habe ich mit Prof. Dr. habil. Christian Wolkersdorfer zusammengearbeitet, der den Lehrstuhl für Grubenwassermanagement innehat. Dieses Auslandspraktikum war für mich eine unglaublich prägende Zeit – fachlich, aber auch persönlich. Aus der Zusammenarbeit ist ein enger, bis heute andauernder Kontakt entstanden. Beeindruckt hat mich außerdem eine Geologin aus Sachsen, welche ich im Laufe meines Studiums und später bei verschiedenen Gelegenheiten immer wieder getroffen habe. Sie ist eine beeindruckende, sehr taffe Frau, die sich seit Jahrzehnten in der nach wie vor stark männerdominierten Bergbaubranche behauptet. Mich hat fasziniert, mit wie viel Fachwissen, aber auch Durchsetzungskraft sie auftritt. Dies zeigt doch, dass Kompetenz und Leidenschaft für den Beruf am Ende mehr zählen als alte Strukturen. Sie ist für mich bis heute ein Beispiel dafür, wie man mit Haltung und Überzeugung seinen Weg gehen kann.
Sie waren für knapp drei Jahre Gastwissenschaftlerin am Lehrstuhl für Grubenwassermanagement an der Tshwane University of Technology in Südafrika. Was hat Sie dazu bewogen und wie haben Sie diese Zeit erlebt?
Mein erster Aufenthalt in Südafrika 2014 war für ein Forschungspraktikum im Rahmen des Masterstudiums. Die Erfahrungen dort haben mich so bereichert, dass ich später unbedingt noch einmal zurückkehren wollte, diesmal als Gastwissenschaftlerin. Mich hat vor allem gereizt, erneut Auslandserfahrung in einem multikulturell geprägten Land zu sammeln und geowissenschaftliche Fragestellungen unter ganz anderen Bedingungen kennenzulernen.
Südafrika bietet nicht nur eine faszinierende Geologie, sondern auch eine andere Herangehensweise an technische und wissenschaftliche Probleme. Viele Lösungen entstehen dort aus der Notwendigkeit heraus, mit begrenzten finanziellen Mitteln pragmatisch und kreativ zu arbeiten. Das hat meinen Blick auf Forschung und Praxis sehr geweitet.
Auch persönlich war diese Zeit unglaublich bereichernd, da ich die Zeit mit meiner Familie dort verbracht habe. Ich habe gelernt, vieles aus einer neuen Perspektive zu sehen und schätze den Austausch zwischen verschiedenen Kulturen und fachlichen Hintergründen sehr.
Bergbaunachnutzung gilt als sehr komplex. Was begeistert Sie daran?
Mich fasziniert vor allem der Aspekt der Nachnutzung als solches, also vorhandenen Infrastrukturen und Ressourcen, wie zum Beispiel dem Grubenwasser, erneut Wert zu geben – eine Valorisation, also „Inwertsetzung“ bzw. Wiederaufwertung durchzuführen. Dieser Gedanke, etwas vermeintlich Abgeschlossenes erneut nutzbar zu machen, begeistert mich sehr.
Dabei spielt Nachhaltigkeit eine zentrale Rolle. Ursprünglich stammt der Begriff aus der Forstwirtschaft: Carl von Carlowitz hat ihn 1713 im Zusammenhang mit dem maßlosen Abholzen der Wälder für den Bergbau geprägt. Für mich schließt sich da der Kreis – von den Anfängen der Nachhaltigkeit im Bergbau bis hin zu modernen Konzepten der Bergbaunachnutzung.
Was mich außerdem motiviert, ist die Vielfalt dieses Arbeitsfeldes. In der Bergbau- oder auch Nachbergbau-Branche zu arbeiten ist kein „normaler“ Büro-Job. Stundenlang durch ehemalige Grubengebäude zu laufen, um Wasserproben zu nehmen oder bei Minusgraden auf dem Bohrplatz zu stehen – das muss man wollen! Wer aber einmal im Bergbau gearbeitet hat, bleibt meist für immer damit verbunden, gemäß dem Motto „Einmal Bergbau, immer Bergbau“. In meiner Rolle als Generalsekretärin der International Mine Water Association (IMWA) habe ich zudem die Möglichkeit, international mit Fachleuten zusammenzuarbeiten und unterschiedliche Aspekte im Fachbereich Grubenwasser kennenzulernen. Dieser globale Austausch zeigt, wie vielfältig und kreativ die Lösungen für Bergbaunachnutzung weltweit sein können und das macht meine Arbeit jeden Tag spannend.
Gegenwärtig arbeiten Sie als Wissenschaftlerin am Fraunhofer IEG. Was begeistert Sie an der Geothermie?
Mich begeistert an der Geothermie, dass sie sehr vielfältig ist. In unserer Arbeitsgruppe Bergbaufolgenutzung am Fraunhofer IEG arbeiten wir daran, ehemalige Bergwerke geothermisch nachzunutzen. Das bedeutet, dass wir das vorhandene Grubenwasser, das sonst oft als Last betrachtet wird, als wertvolle Ressource begreifen und für die Wärmeversorgung erschließen. Gerade diese Idee, aus einer sogenannten „Ewigkeitslast“ einen „Ewigkeitsnutzen“ zu machen, finde ich super interessant.
Welche Aspekte der Geothermie benötigen Ihrer Meinung nach mehr Aufmerksamkeit?
Ich finde, es muss viel stärker ins öffentliche Bewusstsein rücken, dass Geothermie nicht gleich Geothermie ist. Es gibt eine enorme Bandbreite an Nutzungsformen, auch mit „Nischentechnologien“ wie der Grubenwassergeothermie. Diese Vielfalt wird nicht gesehen.
Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträger sollten sich bewusst machen, dass die Forschung in diesem Bereich nicht stehen bleibt, sondern ebenso wie andere Technologien weiterentwickelt wird und effizienter und vielseitiger wird.
Mir ist auch wichtig, dass die Grubenwassergeothermie als ein weiteres Puzzlestück in der Wärmeplanung gesehen wird. Sie bietet gerade in ehemaligen Bergbauregionen große Chancen für eine nachhaltige Nachnutzung bestehender Infrastrukturen. Wenn wir diese Potenziale gezielt fördern, kann Geothermie einen noch viel größeren Beitrag zur Energiewende leisten.
Was sollten wir über Grubenwassergeothermie wissen, was vielleicht noch nicht so bekannt ist?
Ein spannender Aspekt der Grubenwassergeothermie ist die Möglichkeit, das Grubenwasser als Wärmespeicher zu nutzen, als sogenannten Grubenwärmespeicher. Im Rahmen des EU geförderten Projektes PUSH-IT, wird beispielsweise auf dem Gelände des technischen Zentrums der Ruhr Universität Bochum eine Pilotanlage eines solchen Systems errichtet. Dabei wird Überschusswärme vom technischen Zentrum in das ehemalige, jetzt geflutete Kohlebergwerk eingespeist. Dabei soll es zur saisonalen Zwischenspeicherung von Wärme kommen, welche dann bei Bedarf ausgespeichert werden kann. Das Bergwerk fungiert also wie eine riesige „Geobatterie“.
Gern möchte ich auch noch erwähnen, dass ich das Thema Grubenwassergeothermie auch bei der Erschließung neuer Untertagebergwerke sehe. Es ist davon auszugehen, dass in Europa in den nächsten Jahren wieder einige Bergwerke erschlossen werden, wobei das Thema Grubenwasser und vor allem dessen (geothermische) Nutzung von Anfang an mitgedacht werden sollte.
(Weitere Infos zum PUSH-IT-Projekt finden Sie hier.)
Sie sind Vorstandsmitglied bei Women in Mining and Resources Germany, einer Initiative zur Förderung von Frauen in der Bergbaubranche. Wie kam es dazu und wofür setzen Sie sich ein?
Meine Verbindung zu WIM (Women in Mining) begann durch meinen Aufenthalt in Südafrika. Viel mehr Frauen arbeiten dort in der Bergbaubranche und unterstützen sich gegenseitig, beispielsweise bei WiMSA (Women in Mining South Africa). Ich habe mich gefragt: Warum gibt es so etwas nicht auch in Deutschland?
In Deutschland arbeiten relativ wenige Frauen in der Bergbaubranche. WIM Germany bietet daher eine Plattform, auf der sich Frauen gegenseitig unterstützen und vernetzen können. Gerade, wenn man sich neu für die Branche interessiert oder in den Beruf einsteigt, ist das ein wichtiger Aspekt: Nachwuchskräfte finden leichter Zugang und Ansprechpartnerinnen, wenn es bereits ein Netzwerk gibt.
Wir bei WIM Germany setzten uns für Diversität ein, nicht nur in Bezug auf Geschlecht, sondern auch auf Alter, und wollen ein Umdenken in der Branche anstoßen. Dabei sind nicht nur Frauen, sondern auch männliche Mitglieder wichtig: Denn durch gegenseitige Unterstützung und offenen Austausch können wir ein Umdenken anstoßen.
Persönlich finde ich es sehr wichtig, ein Zeichen für junge Mädchen und Frauen zu setzen! Und da kann man schon bei den ganz kleinen anfangen. In Südafrika gab es in der Vorschulklasse meiner Kinder eine Projektwoche, in welcher Eltern über Ihren Beruf berichten konnten. Und nur in der einen Klasse waren zwei Bergbauingenieurinnen, eine Geologin und eine Mikrobiologin. Toll, oder? Solche Aktionen zeigen jedenfalls jungen Menschen, dass Gleichberechtigung und Geschlechterdiversität im Bergbau möglich sind und motivieren Mädchen und Frauen, den Beruf für sich zu entdecken.
Was machen Sie zur Entspannung?
Zur Entspannung gehe ich am liebsten auf Punkrock Konzerte. Das habe ich schon immer gemacht und früher sogar selbst in einer Band gespielt. Für mich ist Musik ein toller Ausgleich zum Arbeitsalltag – laut, intensiv und voller Energie.
Welchen Rat hätten Sie gerne früher in Ihrer Karriere gehört?
Ich hätte mir früher gewünscht, den Rat zu bekommen, möglichst viel und gern auch schon während der Schulzeit oder eher im Studium Auslandserfahrung zu sammeln. Neue Länder, andere Kulturen und unterschiedliche wissenschaftliche oder technische Herangehensweisen eröffnen nicht nur spannende Perspektiven, sondern helfen auch, Herausforderungen selbstbewusst zu meistern und flexibel zu bleiben.
Was würden Sie jungen Frauen mit auf den Weg geben, wenn es darum geht, sich beruflich zu behaupten?
Mein wichtigster Rat ist: Habt keine Scheu, auf Menschen zuzugehen, egal welchen Status oder welche Position sie haben. Viele Menschen freuen sich über Begegnungen auf Augenhöhe und über Gespräche zum gegenseitigen Austausch.
Netzwerken ist dabei das A und O. Je früher man anfängt, desto besser. Schon während des Studiums kann man Kontakte knüpfen, etwa auf Konferenzen oder Fachveranstaltungen. Oft ist die Teilnahme für Studierende sogar kostenlos. Diese Beziehungen öffnen Türen, erweitern das Wissen und können später entscheidend sein, um sich beruflich weiterzuentwickeln.
Für mich ist es wichtig, selbstbewusst zu sein, Chancen aktiv zu nutzen und die eigenen Interessen klar zu vertreten, immer mit der Bereitschaft, von anderen zu lernen und in Austausch zu treten.