Interview mit dem Geovol-Geschäftsführer Peter Lohr von Charlotte Borst (Merkur)
Unterföhring Geovol-Geschäftsführer Peter Lohr erklärt, wie uns die Geothermie unabhängiger machen kann von Öl und Gas. Der Unterföhringer Wärmeversorger ist eine 100-prozentige Tochter der Gemeinde und hat 2021 so viel geothermische Fernwärme geliefert wie nie zuvor: rund 73 000 Megawattstunden (MWh) – das sind rund 20 Prozent mehr verkaufte Wärme als 2020 (60 000 MWh). Wärmeversorger ist eine 100-prozentige Tochter der Gemeinde und hat 2021 so viel geothermische Fernwärme geliefert wie nie zuvor: rund 73 000 Megawattstunden (MWh) – das sind rund 20 Prozent mehr verkaufte Wärme als 2020 (60 000 MWh). gesamte Anschlussleistung liegt inzwischen bei rund 58 Megawatt. Grund für den gestiegenen Wärmeabsatz sind der vergleichsweise kalte Winter und die Akquise neuer Kunden. Inzwischen beziehen rund 3400 Haushalte, 57 Unternehmen und rund 40 kommunale Gebäude in Unterföhring Fernwärme aus dem Geothermieheizwerk. Trotzdem muss kaum von den fossil betriebenen Spitzenlastkesseln Gebrauch gemacht werden. Der Grund: Private und gewerbliche Nutzer ergänzen sich gut und rufen die Wärme zu unterschiedlichen Zeiten ab.
Die Achterbahn der Preise für Öl und Gas und die Abhängigkeit von Gaslieferungen aus Russland zeigen, wie wichtig lokale Energieerzeugung wird.
Peter Lohr: Ja, gerade in diesen unruhigen Zeiten ist Versorgungssicherheit ein hohes Gut. Unsere Wärmeversorgung basiert auf heimischer Erdwärme und macht uns deshalb so gut wie unabhängig von Energieimporten.
Wie viel Potenzial steckt noch in der Geovol?
Das Potenzial der geothermischen Wärmeversorgung in Unterföhring ist – auch wenn es schwer glaubhaft klingt – nicht wirklich begrenzt. Je mehr Haushalte angeschlossen werden, desto mehr steigt lediglich der durch den Spitzenbedarf abzudeckende fossile Anteil von derzeit 1 Prozent. Von diesem Wert träumen die meisten Stadtwerke. Die Herausforderung sind also „nur“ die kalten Tage, an denen dann immer mehr zugeheizt werden muss. Sollte dieser fossile Anteil einmal zu spürbar werden, kommen weitere „Fossilvermeider“ ins Spiel, zum Beispiel eine Rücklauf-Wärmepumpe oder ein großer Wärmespeicher. Auch eine dritte Dublette hätte im Unterföhringer Claim noch Platz. Der eher begrenzende Faktor ist daher das für eine bestimmte Größe konzipierte Fernwärmenetz, also die Energieverteilung. Die Energieerzeugung ist nicht das Problem. Konkret gesprochen soll im Endausbau einmal ganz Unterföhring mit rund 105 Megawatt Anschlussleistung versorgt werden können. Und das kriegen wir hin. Und über die Hälfte haben wir schon.
Ihre Kunden haben ein gutes Klima-Gewissen. Aber haben sie auch beim Preis einen Vorteil?
Unser Preis ist – keine Angeberei – wirklich günstig. Natürlich schwanken Gas und Öl immer wieder, sodass es mal mehr, mal weniger attraktiv erscheint, zur Geovol zu kommen. Derzeit aber tut man sich mit dem Rechnen sehr leicht. Ein guter Vergleich ist der Fernwärmepreis der Stadtwerke München, der weit über unserem liegt. Der Geovol-Arbeitspreis netto liegt bei knapp 55 Euro für die Megawattstunde, die SWM berechnen rund 100 Euro netto für die Megawattstunde. Normalerweise bringt ein Vergleich mit anderen Fernwärmeversorgern nicht viel, da sie räumlich getrennt liegen. In Unterföhring sind wir aber in einigen Straßen tatsächlich Wettbewerber.
Mit der Erdwärme sitzen wir in der Region München auf einem wahren Schatz. Wie kann man das Potenzial heben? Sollte der Netzausbau stärker gefördert werden?
Die Förderung des Wärmenetzes ist gerade im ländlicheren Bereich sehr wichtig, da die Abnehmer nicht so dicht beisammen liegen. Der Wärmeverkauf je Trassenmeter ist auf dem Lande schwächer. Hier gibt es noch die KfW-Förderung, die jedoch nicht allzu mächtig ist, sowie bei neuen Netzen die Förderung „Wärmenetze 4.0“. Auf die aktuelle Förderung müssen wir noch warten.
Nur ist bisher noch nicht bekannt, wo noch lohnenswerte Reservoirs sind, wie hoch die Temperatur und wie stark die Schüttung sind.
Allerdings, daher halte ich es für wesentlich wichtiger, den interessierten Kommunen das Bohrrisiko weitgehend abzunehmen und erst einmal die finanziellen Mittel für die Bohrung zur Verfügung zu stellen. Ist die Bohrung mal fündig, ist der Netzausbau dann schon zu stemmen.
Kann Geothermie eine zentrale Rolle spielen bei der CO2-Reduktion in der Energieversorgung?
Dekarbonisierte Fernwärme ist im urbanen Bereich das Mittel zum Zweck. Meines Erachtens gibt es hier keine Alternativen. Sie wissen ja, die Hälfte des Energieverbrauchs in Deutschland benötigen wir für Wärme; und davon werden jetzt, im Jahre 2022, immer noch über 75 Prozent mit Gas und Öl erzeugt, wirklich umweltfreundlich sind wir bundesweit alles in allem noch bei unter zehn Prozent. Beim Strom sind wir da mit einem Anteil von gut 50 Prozent aus erneuerbarer Energie deutlich weiter. Wie nun eine Gemeinde oder eine Stadt dieses Fernwärmenetz „grün“ kriegt, hängt von den regionalen Umständen ab. Geothermie ist an vielen Orten Deutschlands ein probates Mittel, aber es gibt auch andere Möglichkeiten. Dem Fernwärmenetz ist es, salopp gesagt, egal, mit welcher grünen Energie es warm gemacht wird.
Quelle: Merkur, 07.03.2022