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„Mein Leitsatz ist: Keep it simple and smart"

| News

Prof. Dr. Simone Walker-Hertkorn ist für ihre Geothermie-Expertise seit Jahrzehnten bekannt. Im Gespräch für die Serie „Frauen in der Geothermie" skizziert die Geschäftsführerin der tewag GmbH ihren Lebensweg.

Foto: tewag GmbH/ Gestaltung Susann Piesnack

Welche Erfahrungen in der Kindheit und Jugend haben Sie für Ihren weiteren Berufsweg geprägt?

„Meine Großeltern waren Landwirte, ich bin ländlich und naturverbunden in einem 700-Seelen-Örtchen im Landkreis Tübingen aufgewachsen, mit 12 schon Traktor gefahren und hatte immer viele Tiere um mich. Ich habe gelernt, mit dem zu arbeiten, was die Natur so hergibt und genügsam zu sein.“

Gab es frühe (weibliche) Vorbilder?

„Meine Großmütter waren für mich Vorbilder. Die Mutter meines Vaters hat ihren Mann im Krieg verloren und sieben Kinder allein großgekriegt. Das prägt einen und vermittelt auch Werte. Ich war ein sportliches Kind, habe zunächst Fußball und später über eine Freundin meiner Mutter Tennis gespielt. Sportlich gesehen war Steffi Graf zu der Zeit eine Motivation für mich, sich Ziele zu setzen. Meine Mutter und ich haben bis heute ein sehr inniges Verhältnis: Ich gehe fast jeden Tag zum Mittagessen zu ihr und wir tauschen uns aus. Familie ist ein wichtiger Anker.“

Warum haben Sie sich für ein Studium der Geowissenschaften entschieden?

„Meine Lieblingsfächer waren Erdkunde, Geografie, Mathe, Physik und Biologie. Ich erinnere mich an eine Exkursion mit meiner Erdkundelehrerin, die uns in das Naturkunde Museum Stuttgart führte. Dort erklärte sie uns, was man von Skeletten der Dinosaurier alles über ihren Lebensraum und ihre Ernährungsgewohnheiten ableiten kann. Durch das Studium der Geowissenschaften an der Eberhard-Karls-Universität Tübingen, habe ich auch einen Abschluss als Paläontologin, das war Teil des Studiengangs.“

Wie haben Sie das Studium in Hinblick auf Gleichberechtigung erlebt?

„Wir waren zwei Kommilitoninnen von etwa 30 Student*innen, es war sehr angenehm und von Diskriminierung ist bei mir wenig bis gar nichts angekommen. Ein Professor war der Meinung, dass Frauen in Tunneln Unglück bringen, aber das war die Ausnahme. Die Heilige Barbara, eine Frau also, ist die Schutzpatronin der Bergleute und Geowissenschaftler. Da Fest wird auch heute noch mit meinen Studienkolleg*innen zusammen gefeiert“

Ihr Hobby Tennis brachte Sie später auch indirekt zur Geothermie, können Sie davon erzählen?

„Ich hatte nach dem Studium als Frau schon zu tun, eine Stelle in diesem Bereich zu finden, und habe ein Volontariat bei einem Unternehmen in Oberhausen gefunden, in der Erdöl- und Erdgasexploration, da wäre ich am Kaspischen Meer in Baku im Einsatz gewesen. Ich hatte schon unterschrieben, als mir eine österreichische Bohrfirma eine Stelle anbot. Diese Firma war auch Sponsor einer Damentennismannschaft in Ried im Innkreis. Das passte zu gut, um es nicht zu machen! Dort habe ich dann meine ersten Erfahrungen auf einer Baustelle gemacht, wir haben 4500 Meter tief gebohrt, in der 24-Stunden-Schicht, mit einer ungarischen Bohrmannschaft, die für mich tolle Mentoren waren.“

Welche weiteren Mentorinnen und Mentoren, die im Laufe Ihrer Karriere wichtig waren?

„Viele. Besonders heraus stechen Dr. Ludwig Wagner und Dr. Gottfried Wessely. Von beiden, der eine Chefexplorationsgeologe bei der Mobil Oil der andere bei der OMV, habe ich sehr viel gelernt. Es ging zum einen um die Anpassung der Bohrtechnik im Zusammenhang mit den Besonderheiten im Untergrund. Welche Formation lässt sich mit welchem Bohrwerkzeug gut und schnell erbohren. Und zum anderen ging es um die Besonderheiten der Thermalwasservorkommens der Molasse-Zone, des Wiener - und Pannonischen Beckens. Später waren es dann Dr. Burkhard Sanner und Manfred Reuss, denen ich gerne zugehört habe und dann auch aktiv im VDI 4640 Richtlinienausschuss mitwirken konnte.“ 

Wurden Sie als Geothermie-Expertin genauso ernst genommen wie männliche Kollegen?

„Ganz sicher, ich hatte nie das Gefühl, nicht ernst genommen zu werden. Durch meine Offenheit und Neugier ist bei mir nie das Gefühl entstanden, benachteiligt zu werden. Bei einer der ersten Mitgliederversammlungen des Bundesverbands Wärmepumpe e.V. war ich die einzige Frau – das hatte aber auch den Vorteil, dass sich alle meinen Namen merken konnten, der ist ja auch kompliziert genug. Nach zwei oder drei Jahren kam dann die Anfrage, ob ich in den Vorstand möchte – auch da habe ich nicht nein gesagt und es hat mir Türen geöffnet.“

Sie arbeiten im Richtlinienausschuss der VDI 4640 mit - können Sie etwas über diese Arbeit sprechen und inwiefern diese maßgeblich ist für die Praxis?

„Die Mitarbeit hat sich aus der Verbandsarbeit ergeben. Auch hier habe ich großes Wissen eingesammelt, von dem wir als Team viel profitiert haben. Der Austausch und die Einschätzung und Ansichten anderer Kollegen, die mit einem anderen Blickwinkel und Expertise Themen betrachten, ist mir wichtig.“

Wie war Ihr weiterer beruflicher und akademischer Weg und wie kam es zur Entscheidung für die Selbstständigkeit?

„Ich habe durch den damaligen Explorationschef meines Arbeitsgebers in Wien zur Geothermie Österreichs promoviert, was zu dieser Zeit, im Jahr 1998, ungewöhnlich war. Nach meiner Promotion wurden allerdings EU-Gelder zur weiteren Förderung von Tiefengeothermie eingestellt, auch das Fündigkeitsrisiko wurde nicht mehr versichert, was dann zu einem Einbruch an Projekten führte. Ich wurde dann freigestellt, hatte aber mit meinem ehemaligen Arbeitgeber die Vereinbarung, dass ich projektspezifisch weiter beauftragt werden würde, so hatte ich dann kleinere Projekte in der Thermalwassererkundung Tirols in der Tasche. Ich habe mich dann dafür entschieden, mich selbstständig zu machen, nachdem mehrere Bewerbungen im Sande verliefen. Daraufhin habe ich angefangen, Genehmigungsanträge für Bohrfirmen zu bearbeiten – durch meine Tätigkeit beim BWP hatte ich gute Kontakte. Ich holte zwei meiner Schulfreundinnen ins Boot und gemeinsam bearbeiteten wir täglich in Hochzeiten 30 bis 40 Anträge, dazu kamen dann weitere Anfragen und bis heute immer wieder neue Aufgabenstellungen hinzu.“

2022 haben Sie die Patricius-Medaille gewonnen, wie fühlt sich so eine Ehrung an?

„Das hat mich wirklich umgehauen und ich habe mich sehr gefreut. Ich habe überhaupt nicht damit gerechnet und es wirklich als große Ehrung empfunden. Es ist meinen Kollegen und Kolleginnen zu verdanken, dass wir so erfolgreich unterwegs sind, alleine kann man das nicht schaffen. Dafür möchte ich auch ein großes Dankeschön an das ganze Team aussprechen.“

Sie arbeiten an Lösungsansätze einer zukünftigen geothermischer Energieversorgung, können Sie uns einen Ausblick auf die nächsten Jahre geben?

„Aus unserer Sicht ist das, wofür der Begriff Kalte Nahwärme steht, zukunftsweisend. Wir haben den Begriff mit kreiert und damals in einem Projekt in Esslingen zusammen mit den TGA-Planern ein Erdwärmesondenfeld mit fünf Wärmepumpen gekoppelt. Heute, 16 Jahre später, haben wir zahlreiche solcher Projekte realisiert und wir hätten nie gedacht, dass dieses Konzept, unsere Vision, so erfolgreich sein wird. Dieses Konzept kann mit weiteren Wärmequellen (Sonne, Luft, …) kombiniert werden, was wirtschaftlich sinnvoll und effizient ist. Darin liegen aus meiner Sicht Lösungsansätze der Zukunft. Systeme, Technologien müssen qualitativ gut, langlebig und nachhaltig sein. Nachhaltigkeit, ist ein großes Wort, für mich ist es die Schnittmenge, in dem soziale, ökologische und ökonomische Komponenten in einem ausgewogenen Verhältnis stehen müssen. In Zukunft werden sich vermutlich multivalente Systeme mit z.B. Solarthermie, verschiedene geothermische Quellen oder auch der Einbindung von Luft als Wärmequelle in ein Sole-Wasser geführtes System sicherlich zunehmend durchsetzen. Dabei ist ein weiterer Leitsatz bei uns zu beachten: Keep it simple and smart.“

Von 2008 bis 2017 haben Sie als Professorin den Lehrstuhl Geothermische Energiesysteme geleitet – wie haben Sie diese Tätigkeit erlebt?

„Die Anfrage kam aus dem Nichts heraus, aber die Ausschreibung passte genau zu meinem Profil und ich habe diese Professur, die eine Stiftungsprofessur der Firma Streicher war, einem Bohrgerätehersteller, sofort zugesagt. Ich habe das zehn Jahre lang gemacht, weil ich es wichtig finde, junge Menschen für Berufe in dieser Branche zu begeistern, und ich habe auch sehr viel von den Studierenden gelernt. Es war eine sehr intensive, lehrreiche Zeit, aber durch das Pendeln nach Deggendorf und Straubing war es für mich dann nach 10 Jahren auch wichtig, dieses Amt abzugeben.“

Was wünschen Sie sich für die Geothermie?

„Dass über sie und ihre vielfältigen Nutzungsformen gesprochen wird. Dass man den Menschen Ängste und Sorgen nimmt und mehr Aufklärungsarbeit stattfindet. Ich wünsche mir einen ehrlichen Umgang mit Geothermie, dazu gehört auch, dass man Erwartungen managed. Deutschland ist kein Musterstandort für die Tiefe Geothermie, auch, wenn man sie in manchen Regionen durchaus umsetzen kann. Die Oberflächennahe Geothermie bietet nach meiner Einschätzung eine größere Spielweise.“

Was würden Sie jungen Frauen mit auf den Weg geben, wenn es darum geht, sich beruflich zu behaupten?

„Macht was, was euch Freude macht! Wen man macht, was einen begeistert, steigt auch die Motivation, Expertise aufzubauen und sich zu engagieren. Und seid neugierig und mutig. Traut Euch in die Natur- und Ingenieurwissenschaften zu gehen, damit kann beim „Weltverbessern“ neu gedacht werden “

Welchen Rat hätten Sie gerne früher in Ihrer Karriere gehört?

„Da fällt mir nichts ein. Ansonsten glaube ich, dass trotz der Entwicklungen in der digitalen Welt die analoge, gemeinsame Arbeit im Team sehr viel bringt und man so multiplizieren kann, was einer alleine nicht schafft.“