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„Mit Geothermie werden wir unabhängig von Brennstoffen“

| News

Dr. Verena Svensson ist Leiterin Strategie und Nachhaltigkeit bei den Stadtwerken Düsseldorf. Mit uns sprach sie über ihr Herzensthema Geothermie und was man vom Leistungssport für die Karriere lernen kann.

Dr. Verena Svensson spricht über Vereinbarkeit und Frauen in Führungspositionen Foto: Stadtwerke Düsseldorf, Gestaltung: Susann Piesnack

Als Leiterin Strategie und Nachhaltigkeit verantwortet Dr. Verena Svensson auch die Geothermie-Themen im Konzern, der als offizieller Klimapartner die Stadt Düsseldorf bei ihrem Ziel unterstützt, bis 2035 klimaneutral zu werden und bis 2030 zwei Milliarden Euro in dieses Ziel investieren will. Mit uns sprach sie über ihren Weg in eine Führungsposition und darüber, warum Geothermie ein Herzensthema ist.

Welche Erfahrungen in der Kindheit und Jugend haben Sie für Ihren weiteren Berufsweg geprägt?

„Ich bin im katholisch geprägten Oberschwaben aufgewachsen. In meiner Familie hatte die Selbstständigkeit Tradition: Mein Vater war Zahnarzt, meine Großeltern als Friseure tätig. Ein Bewusstsein dafür, dass man seine Kundschaft pflegt, haben sie mir vorgelebt. Ein Besuch auf dem Wochenmarkt mit meiner Großmutter dauerte manchmal vier Stunden! Den Stellenwert von Disziplin und unternehmerischem Denken haben sie mir auch vermittelt. Ich glaube, das hat mich bis heute geprägt. Außerdem habe ich Handball als Leistungssport betrieben. Da lernt man, dass man sich Erfolge erarbeiten muss und es immer Hoch- und Tiefphasen gibt.“

Wie war das Frauenbild zu dieser Zeit in Ihrem Umfeld?

„Ich bin ländlich und in Westdeutschland aufgewachsen, das heißt, viele Frauen waren vor allem Hausfrau und Mutter. Gleichzeitig habe ich in meiner eigenen Familie erlebt, dass alle mitarbeiten mussten. Gesellschaftspolitisch folgte in meiner Jugend auf Helmut Kohl und Gerhard Schröder Angela Merkel. Ich habe also gesehen, dass man es als Frau sehr weit bringen kann. Aber in der Schule gab es damals auch noch Lehrer, die der Meinung waren, Physik sei eher was für Jungs und ein Studium für Mädchen eine finanzielle Fehlinvestition, weil sie ohnehin Mütter und Hausfrauen werden würden. Prägend war für mich ein Auslandsjahr in den USA und diese Can-Do-Haltung: Jede kann Astronautin oder was auch immer werden, wenn sie das Ziel nur konsequent genug verfolgt.“

Welche Kriterien haben die Wahl Ihres Studiums beeinflusst?

„Tatsächlich habe ich das Denken, dass naturwissenschaftliche Fächer sich nicht für Frauen eignen, ein Stück weit an mich herangelassen. Ich habe mich für Betriebswirtschaftslehre entschieden, weil es für mich ein Studium mit Zukunft und vielen Optionen war und eine Möglichkeit, im Ausland zu studieren. Mein Diplom habe ich sowohl an der französischen Hochschule in Reims als auch an der ESB Reutlingen gemacht.“

Wie haben Sie das Studium in Bezug auf Geschlechtergerechtigkeit erlebt?

„Sehr positiv, es war eine gute Mischung und ich hatte nie das Gefühl, aufgrund meines Geschlechts benachteiligt zu werden.

Sport spielt in Ihrer Laufbahn ebenfalls eine wichtige Rolle und war auch Teil Ihrer Promotion – können Sie das ausführen?

„Ich habe sehr viel Zeit im Sport verbracht und dabei gelernt, welche Kräfte freigesetzt werden, wenn für Menschen das Team wichtiger ist als der Einzelne. Nach meinem Diplom bin ich bei McKinsey als Beraterin eingestiegen und habe anschließend eine Promotion über Entscheidungsverhalten in Risikosituationen geschrieben – die Empirie dafür kam aus dem Spitzensport: Hochsprung, Skispringen und Fußball. Danach habe ich im Sport gearbeitet, unter anderem für Thomas Bach, der damals Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes und Vizepräsident des Internationalen Olympischen Komitees war.“

Wie kamen Sie aus der Berater- und Sportbranche dann zur Energie?

„Ein beruflicher Kontakt aus meiner Zeit bei McKinsey hat mich als Projektleiterin zur E.ON- Group geholt. So kam ich vor rund zehn Jahren in die Energiebranche.“

Was begeistert Sie an Energiethemen?

„Ich finde es unglaublich interessant, in einer Branche und einem Stadtwerk zu arbeiten, die sich so grundlegend transformieren müssen. Im Sinne des nachhaltigen Wandels müssen wir unser komplettes System von Erzeugung, Transport und Produkten überdenken und neu aufstellen. Zudem sind Energie und ihre Infrastrukturen die Grundlage für Industrie und modernes Leben, deren Verfügbarkeit lange als Selbstverständlichkeit angesehen wurde. Laut Umfragen in den Jahren vor 2020 dachte der Deutsche im Schnitt fünf Minuten über Strom nach – im Jahr! Das hat sich komplett verändert, worauf wir mit besserer Information reagieren müssen, um in diesen volatilen Zeiten möglichst viel Sicherheit zu schaffen.“

Danach starteten Sie dann bei den Stadtwerken Düsseldorf?

„Genau, zu diesem Zeitpunkt hatte ich schon zwei Kinder, denen ich gerecht werden wollte, aber ich wollte auch weiterhin in einer Führungsposition bleiben und spannende Themen in meiner Wahlheimat Düsseldorf mitgestalten. Zunächst war ich für die nachhaltigen Mobilitätsthemen im Konzern zuständig. Kurz, nachdem ich angefangen habe, kam Corona. Da war dann Krisenmanagement ein großer Teil meiner Aufgaben.“

Was ist jetzt Ihre Aufgabe und was sind Ihre größten Herausforderungen?

„Ich leite die Strategie und Nachhaltigkeit im Unternehmen und prüfe mit meinem Team sowie mit Kolleginnen und Kollegen regelmäßig, ob wir mit unserer Konzernstrategie auf Kurs sind und wo wir gegebenenfalls nachschärfen müssen. Ich bin im engen Austausch mit den Stakeholdern und trage dazu bei, dass die Stadtwerke Düsseldorf die Dekarbonisierung vorantreiben. Ich entwickle und setze Projekte in den Bereichen Geothermie und Kreislaufwirtschaft um. Zusätzlich verantworte ich die Nachhaltigkeit und sorge dafür, dass die Stadtwerke Düsseldorf ihren Berichtspflichten in diesem Bereich nachkommen. Wichtig ist, dass Nachhaltigkeit nur zusammen mit allen Kolleginnen und Kollegen geht, die wir einladen und immer wieder anregen, daran mitzuwirken. Meine Abteilung ist, wenn man so will, mit das grüne Gewissen des Konzerns.“

Wie lange hat es gedauert, ehe Sie sich in das Feld Geothermie eingearbeitet hatten?

„Geothermie ist mein Herzensthema. Dabei lerne ich jeden Tag etwas dazu – es wäre vermessen, zu sagen, ich bin eine Expertin. Das ist auch nicht mein Job. Meine Aufgabe ist es, aus Stadtwerkesicht ein Projekt zur Erdwärmegewinnung zu entwickeln und zu prüfen, welche Potenziale es gibt und wie die Parameter für einen wirtschaftlichen Betrieb sein müssten und – wenn dies hoffentlich der Fall sein wird – Erdwärme erfolgreich zu fördern und in unsere Fernwärme einzubinden. Die Branche ist voller Überzeugungstäter, deswegen wurde ich gleich gut aufgenommen und habe sehr gute Gespräche führen können, in denen meine Gesprächs-Partner und -Partnerinnen durch hohe Fachkompetenz geglänzt haben.“

Welche Aspekte der Geothermie genießen zu geringe Aufmerksamkeit?

„Häufig wird sie im Kanon der Erneuerbaren – neben Windkraft und Photovoltaik – vergessen, da in Deutschland die Energiewende lange Zeit vor allem  als Stromwende gesehen wurde. Das wird sich nun, da sich der Fokus in Richtung Wärme verschiebt, hoffentlich ändern. Mit Geothermie werden wir unabhängig von Brennstoffen und haben eine lokale grundlastfähige, das heißt witterungsunabhängige Wärmequelle.“

Sie setzen sich auch für Mütter in Führungspositionen ein, richtig?

„Ich engagiere mich im Verein Working Moms e.V.. Bei den Stadtwerken Düsseldorf ist unser erklärtes Ziel, den Anteil von Frauen auf allen Ebenen zu erhöhen, weil wir der Überzeugung sind, dass Diversität uns gut tut. Vielfalt bringt neue Ideen und Sichtweisen, und diese bringen wiederum ein Unternehmen weiter. Meine persönliche Erfahrung ist auch, dass Vereinbarkeit oft einfacher als Führungskraft ist, da man mehr delegieren kann und somit mehr Flexibilität hat. Also keine Angst vor Verantwortung und Gestaltungsfreiheit.“

Wie ist Ihre persönliche Erfahrung als Mutter in einer Führungsposition?

„Bis ich Mutter wurde, habe ich den Eindruck gehabt, man beurteilt mich aufgrund meiner Fähigkeiten und nicht aufgrund meines Geschlechts. Das hat sich geändert, als ich Kinder erwartete. Mir wurden ungefragt Rollen für Mütter angeboten und manche waren verwundert, dass ich als Mutter von Zwillingen nicht lange in Elternzeit gegangen bin. Natürlich bekomme ich immer noch Fragen gestellt, die Männer nicht gefragt werden. Wo meine Kinder sind, wenn ich auf einer Tagung bin, zum Beispiel. Ich habe mittlerweile einen sehr guten Weg gefunden, beides zu vereinen, woran auch das Engagement meines schwedischen Mannes, das Vertrauen meiner Führungskräfte bei den Stadtwerken Düsseldorf und mein Team einen großen Anteil haben. Bei der Vereinbarkeitsdebatte ist mir wichtig, nicht ein Familienmodell über ein anderes zu stellen, aber ich möchte ermutigen, sich bewusst damit auseinanderzusetzen, was als Familie funktionieren kann und nicht einfach in ein tradiertes Modell hineinzuschlittern.“

Wie stark männlich geprägt ist die Geothermie?

„Sehr, wie die gesamte Energiebranche – das muss man ganz nüchtern konstatieren. Langsam ändert sich etwas, aber das Tempo ist gemächlich. Wir haben immer noch zu wenig weibliche Studentinnen in MINT Fächern und zu wenig Frauen in sichtbaren Positionen, an denen sich Mädchen ein Beispiel nehmen können. Gleichzeitig haben wir aber auch zu wenig Männer, die Erzieher werden. Auch hier würde uns und unseren Kindern mehr Diversität gut tun.“

Was würden Sie jungen Frauen mit auf den Weg geben, wenn es darum geht, sich beruflich zu behaupten? Welchen Rat hätten Sie gerne früher in Ihrer Karriere gehört?

„Generell halte ich es für wichtig, sich die Frage zu stellen, was man gut kann, welchen Chef und welche Werte man im Job braucht, um maximale Leistung zu bringen. Sich nicht von Logos oder Claims blenden lassen. Und mit dem Partner ehrlich und sachlich Abmachungen treffen, ehe man Kinder bekommt und dabei die finanzielle Unabhängigkeit im Auge behalten. Ich habe auch gelernt, dass es manchmal Durststrecken gibt, in denen es gilt, die Zähne zusammen zu beißen. Dann  ist es gut, den Dingen mehr Zeit zu geben. Schließlich ist alles im Leben eine Phase.“

Last but not least: Was ist Ihnen als Führungsperson wichtig?

„Transparenz und Wertschätzung, Umgang auf Augenhöhe. Ich habe einen hohen Anspruch an Professionalität und Leistung, weiß aber auch, dass Fehler passieren. Deswegen ist es wichtig, offen darüber zu sprechen, keine Schuldzuweisung zu üben, sondern zusammen den Karren aus dem Dreck zu ziehen und aus den Fehlern zu lernen. Und ich glaube an Komplementaritäten in Teams, daran, die Stärken von Mitarbeitenden zu fördern und ihnen Vertrauen zu schenken. Wenn man das beherzigt, erlebt man mitunter erstaunlich tolle Dinge.“