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MultiSource: Wie funktioniert das Zusammenspiel von Erdwärme und Abwärme in einem kalten Nahwärmenetz?

| News

In Bamberg entsteht aktuell auf dem Gelände der ehemals von US-Streitkräften genutzten Lagarde-Kaserne ein 23 Hektar großes Quartier mit Wohnungen und Gewerbeflächen. Zukünftig werden die Neubauten über ein kaltes Nahwärmenetz mit regenerativer Wärme aus Erdwärme und Abwärme versorgt. Das Forschungsvorhaben MultiSource begleitet die Transformation des Quartiers und untersucht mit umfangreicher Messtechnik das Zusammenspiel der eingesetzten Technologien – Erdwärmesonden, Erdwärmekollektoren (unter Gebäuden sowie in der Freifläche) und einem Abwasserwärmetauscher.

Verlegung der Erdwärmekollektoren im Frühjahr 2022 Copyright Stadtwerke Bamberg (Stephan Obel)

Nun bieten sich gleich mehrere Gelegenheiten, das Projekt näher kennenzulernen: Die Projekthomepage www.geo-multisource.de gibt einen Überblick und stellt fortlaufend Informationen zum Fortschritt des Vorhabens zur Verfügung. Zudem stellt das Forscherteam von MultiSource das Projekt und die Nutzungschancen von kalter Nahwärme und Erdwärme sowie Abwärme im Mai gleich bei zwei Veranstaltungen näher vor.

Im Rahmen der ENERGIETAGE 2023 bietet ein digitaler Workshop am 4. Mai 2023 (9:30 – 11:30 Uhr) einen kompakten Überblick. Die Anmeldung zur kostenlosen Online-Veranstaltung „Aufbruch in ein neues Zeitalter – kalte Nahwärme aus Erdwärme und Abwärme im Quartier“ ist über die zentrale Eventseite der ENERGIETAGE 2023 möglich.

Einen wesentlichen Schwerpunkt bilden der Lagarde-Campus und das Forschungsprojekt MultiSource auch beim 5. Forum Erdwärme und Wärmepumpe in Bayern. Das Projekt wird dort am 17. Mai 2023 in Bamberg auf dem Campus vorgestellt. Ein Rundgang über das Gelände zeigt und erläutert die technischen Einrichtungen aus nächster Nähe. Weitere Informationen und Anmeldemöglichkeiten sind auf der Homepage des Erdwärmeforums verfügbar.

Nahwärme für 2.400 Menschen auf dem Lagarde-Campus

Wie funktioniert das Ganze? Die Netztemperatur bei sogenannter kalter Nahwärme liegt in der Regel bei unter 20 Grad Celsius und ermöglicht damit eine nahezu verteilverlustfreie Energiebereitstellung an die angeschlossenen Haushalte. In diesen heben effiziente Wärmepumpen das Temperaturniveau an, sodass die Räume geheizt und Brauchwasser erwärmt werden können. Der Abwasser-Wärmetauscher soll ca. 2.600 Megawattstunden (MWh) jährlich in das Wärmenetz einspeisen. Etwas höher ist noch der Betrag der Erdwärme, die mit Flächenkollektoren in der Freifläche und unter Gebäuden sowie Erdwärmesonden zukünftig für 3 GWh verantwortlich sein wird. Insgesamt stellen die Wärmepumpen durch die Temperaturanhebung 8.500 MWh Wärme für die Neubauten des Lagarde-Campus zur Verfügung. Die niedrige Betriebstemperatur des Nahwärmenetzes ermöglicht zudem die energieeffiziente Kühlung der Gebäude um einige Grad, die durch reine Temperaturübertragung aus dem Wärmenetz und ohne Einsatz der Wärmepumpen ermöglicht wird.

Abbildung 1: MultiSource erforscht das kalte Prosumer-Nahwärmenetz und die Wärmequellen Abwasser und Geothermie (roter Rahmen links unten). Die dezentralen Wärmepumpen werden nicht betrachtet. – Copyright: Stadtwerke Bamberg

Projekt MultiSource erforscht erstmals das Zusammenspiel von Abwärme und Erdwärme im großskaligen Maßstab

Das interdisziplinäre Forschungsprojekt MultiSource ist einmalig, denn es ist erstmals möglich, die Wechselwirkungen verschiedener Wärmequellen (Abwasserwärmetauscher, Erdwärmekollektoren in der Freifläche, Erdwärmekollektoren unter Gebäuden und Erdwärmesonden) in einem gemeinsamen Wärmenetz in einem großskaligen Maßstab unter gleichen klimatischen Randbedingungen zu untersuchen. Trivial ist das nicht, weiß auch Volker Stockinger. Er ist Professor für energiegerechtes Bauen und Gebäudetechnik an der Technischen Hochschule Nürnberg Georg Simon Ohm und leitet das Projekt MultiSource: „Die Einbindung von erneuerbaren Wärmequellen in urbane Quartierskonzepte stellt aufgrund der Flächenkonkurrenz eine nicht unerhebliche Herausforderung dar. Die Kombination von Wärmequellen, wie im Lagarde Campus geschehen, kann den Einsatz dennoch ermöglichen.“

Von zentraler Bedeutung ist die Frage, inwiefern der Abwasserwärmetauscher, der jahreszeitenabhängig Wassertemperaturen von 8 bis 23 °C nutzen kann, die natürliche Regeneration der Untergrundtemperaturen im Umfeld der Erdwärmesonden und -kollektoren und so die Effizienz der Erdwärmenutzung nochmals steigern kann. Durch umfangreiche wissenschaftliche Messtechnik, die insbesondere an den Schnittstellen zwischen Wärmequellen und Wärmenetz installiert wird, soll ebenso ermittelt werden, bei welcher Wärmequelle – Erdwärmesonden, Erdwärmekollektoren unter Gebäuden sowie Erdwärmekollektoren in der Freifläche – dieser Effekt am größten ist.

Von der Lagarde-Kaserne zum Lagarde-Campus

Nach dem Ende des 2. Weltkrieges und bis zum Jahr 2014 wurde das Quartier von den US-Streitkräften als Kaserne für bis zu 12.000 Soldat*innen genutzt. Seit April 2017 gehört das Gelände wieder der Stadt Bamberg und wird als zukunftsfähiges Viertel mit einem innovativen Wärmeversorgungskonzept aus- und umgebaut. Neben Wohnungen sollen auch Kultur- und Kreativnutzungen ermöglicht sowie ein IT- und Gesundheitsquartier integriert werden.

Interdisziplinäre Zusammenarbeit von drei Instituten und einem Stadtwerk

Im Verbundvorhaben MultiSource kooperieren drei wissenschaftliche Forschungseinrichtungen – die Technische Hochschule Nürnberg Georg Simon Ohm, die Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) und die Technische Universität Dresden – mit den Stadtwerken Bamberg, die sich für die Baumaßnahmen am Lagarde-Campus verantwortlich zeichnen.

Das Projekt ist im April 2022 gestartet und auf 4 Jahre angelegt. Es wird im Rahmen des 7. Energieforschungsprogramms durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz gefördert (Förderkennzeichen: 03EN3057A-D)