Welche Erfahrungen in der Kindheit und Jugend haben Sie für Ihren weiteren Berufsweg geprägt?
„Ich bin in Dippoldiswalde aufgewachsen, einer Kleinstadt im Osterzgebirge. In einer Bergbauregion aufzuwachsen: Das hat mich auf jeden Fall geprägt. Die Tradition und das Wissen darum haben mich schon früh begleitet. Ich habe das „Glückauf“-Gymnasium Dippoldiswalde/Altenberg besucht und schon in der 5. Klasse den Tiefen Bünaustolln besucht und das Steigerlied gesungen. Meine Mutter war voll berufstätig und auch meine Großmütter arbeiteten, das war in der DDR und später in den neuen Bundesländern aufgrund der guten Betreuungssituation für Kinder auch ganz normal. Meine Mutter war Lehrerin für das Fach Polytechnik, hatte also auch einen naturwissenschaftlich-technischen Hintergrund.“
Gab es frühe (weibliche) Vorbilder?
„Nicht im klassischen Sinne, aber es gab auf jeden Fall Werte, die mir von meiner Familie mit auf den Weg gegeben wurden: Zuverlässigkeit, Anstand, Disziplin. Und dass man sich nicht unterkriegen lässt. Meine Großmutter ist 1919 geboren und ist an den Widrigkeiten der Zeiten, die sie miterlebt hat, gewachsen. Und auch meine Mutter hat sich nach Umbrüchen noch einmal neu erfunden. Ich glaube, ein bisschen ist dieser Erfindergeist und das sich durchbeißen Können auch typisch für unsere Region.“
Warum haben Sie sich für das Fach Geophysik und Geoinformatik entschieden?
„Ich wollte in der Nähe bleiben und an einer kleinen Universität studieren. Mein Vater hat mich gegen Ende meiner Gymnasialzeit einen Berufswahltest machen lassen und bei den vorgeschlagenen Berufsbildern und Studiengängen waren auch Geologie und Geophysik dabei. Ich konnte mir nichts darunter vorstellen, habe mich dann aber auf beides beworben. In gewisser Weise war es also ein Zufall, dass ich das Fach entdeckt habe.“
Wie haben Sie das Studium in Hinblick auf Gleichberechtigung erlebt?
„Es war zwar ein männerdominierter Studiengang mit sieben Frauen unter 25 Männern, aber ich habe in der Behandlung der Studierenden keine Unterschiede feststellen können. Es ging um die Leistung und nicht um das Geschlecht.“
Sie haben ein Auslandssemester in Norwegen verbracht. Was haben Sie dort als anders erlebt und von dort mitgenommen?
„Ich fand es sehr spannend, zu sehen, wie informell die Menschen dort miteinander auch im universitären Kontext umgehen. Man nennt sich beim Vornamen, das nimmt einem die Distanz. Ich habe mich da gleich familiär aufgenommen gefühlt.“
Nach dem Studium und einem Jahr als wissenschaftliche Mitarbeiterin ging es relativ schnell in die freie Wirtschaft. Was gab den Ausschlag für Ihre Jobsuche?
„Ich habe in der finalen Phase des Schreibens meiner Masterarbeit festgestellt, dass akademische Arbeiten schreiben und die Unsicherheit mit den befristeten Stellen mir nicht hundertprozentig entspricht. Ich wollte in die Praxis. Als ich mein Studium abgeschlossen habe, gab es im Öl- und Gasbereich wenige Jobs. Ich habe durch Zufall die Stelle bei der geoENERGIE Konzept GmbH gesehen und mich einfach mal beworben, obwohl ich zuvor wenig Berührungspunkte mit der Geothermie hatte.“
Gab es Mentorinnen und Mentoren, die im Laufe Ihrer Karriere wichtig waren?
„Im Studium, neben dem Professor, der meine Masterarbeit betreut hat, fand ich aus der Ferne auch Geophysik-Professorinnen wie Charlotte Krawczyk und Christine Thomas spannend, die ich im Rahmen von Tagungen bei durch die Deutsche Geophysikalische Gesellschaft organisierten Frühstücksrunden kennenlernen durfte. Sie haben ihren Werdegang vorgestellt und auch darüber gesprochen, welche Hürden sie genommen haben und wie man Familie und Arbeit vereinbaren kann. Das habe ich als ermutigend erlebt.“
Sie arbeiten in einer gut gemischten Firma, wie erleben Sie den Berufsalltag?
„Ich weiß gar nicht, wie es ist, in einer Umgebung zu arbeiten, wo das anders ist. Für mich ist es Normalität, und ich genieße es sehr, dass unsere Mitarbeitenden aus so vielen verschiedenen Kulturen kommen und das Geschlechterverhältnis ausgewogen ist. Wir haben zwar auch unsere Reibepunkte, aber genau daran wächst man als Team. Der unterschiedliche Erfahrungsschatz, den jede und jeder mitbringt, ist ein großes Geschenk.“
Was ist wichtig, um es als weibliche Führungskraft zu schaffen?
„Meine Kollegen und Kolleginnen sagen, dass sie an mir schätzen, sich immer mit Fragen an mich wenden zu können und dass ich auch ehrlich zugebe, wenn ich etwas nicht weiß. Klare Kommunikation und Transparenz sind wichtig. Ein gewisses Maß an Durchsetzungsvermögen und Strenge ebenso. Aber das ist im Umgang mit jedem Mitarbeitenden anders. Auch ich entwickele mich stetig weiter und lerne immer wieder neue Fähigkeiten als Führungskraft.“
Was begeistert Sie an der Geothermie?
„Nach fast acht Jahren in der Branche kann ich sagen: Geothermie ist fast überall einsetzbar und mit anderen Energieträgern kombinierbar. Diese Vielseitigkeit macht sie besonders.“
Ist die Geothermie noch immer eine Männerdomäne? Wenn ja, woran merkt man das?
„Definitiv! Auch ich habe die Erfahrung gemacht, in Workshops nicht ernst genommen zu werden oder für die Assistentin gehalten zu werden. Aber es wird besser. Ich sehe immer mehr weibliche Gesichter auf Tagungen und Messen.“
Was wünschen Sie sich für die Geothermie?
„Mich erschreckt wirklich, dass die Geothermie noch immer nicht zum Allgemeinwissen zählt. Ich finde, das ist unsere Priorität: Wir müssen Oberflächennahe Geothermie und ihre Grundzüge global bekannt machen. Es kann nicht sein, dass wir in Deutschland seit den achtziger Jahren erdgekoppelte Wärmepumpen haben, aber noch immer viele nicht wissen, was genau das eigentlich ist.“
Was machen Sie zur Entspannung?
„Ich gehe einmal in der Woche reiten, mein Stammpferd heißt Oskar und ist ein polnischer Mix Wallach. Außerdem backe ich sehr gerne, das hat für mich etwas Meditatives. Meine Spezialitäten sind Dresdner Eierschecke und Apfelstrudel.“
Welchen Rat hätten Sie gerne früher in Ihrer Karriere gehört?
„Dass nichts in Stein gemeißelt ist und Wege, die zum Erfolg führen, nicht immer geradlinig sein müssen. Das habe ich zwar früh gehört, aber ich hätte es gerne auch früher geglaubt.“
Was würden Sie jungen Frauen mit auf den Weg geben, wenn es darum geht, sich beruflich zu behaupten?
„Das eigene Licht nicht unter den Scheffel stellen, klar kommunizieren, zum eigenen Wissen stehen und sich bloß nicht klein machen.“