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Die Dekarbonisierungsstrategie Wiens

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Auf dem diesjährigen Symposium von Geothermie Österreich spielt die Wärmewende der Hauptstadt eine große Rolle. Geothermisch gespeiste Fernwärmenetze und Erd-Wärmepumpen werden an Stelle von Gas die dominierende Technologien.

„Die Dekarbonisierung ist in der Praxis angekommen. Es gibt keinen Grund, diese auf die lange Bank zu schieben, schreiten wir zur Umsetzung.“ - Karl Gruber, der Geschäftsführer von Wien Energie. Bildquelle: Jacek Dylag on Unsplash

Die Wiener Regierungskoalition hat sich auf das Ziel "Wien wird bis 2040 klimaneutral" verständigt. Besonders der Wärmebereich (Niedertemperaturwärme, d. h. Raumwärme und Warmwasser) erfordert die größten Investitionen innerhalb Wiens zur Erreichung der Dekarbonisierungsziele. Im Oktober 2021 wurde dazu eine Studie zur Dekarbonisierungsstrategie Wien vorgestellt, die im Auftrag der Wieder Stadtwerke „Wien Energie“ erstellt wurde. Bei den darin betrachteten Szenarien handelt sich nicht um Prognosen einer abstrakten Entwicklung, sondern vielmehr um eine Illustration der ökonomischen Auswirkungen sowie um realitätsnahe Darstellung, wie die gesetzten Klimaziele konkret erreicht werden können.

Die Dekarbonisierung Wiens wird nur durch einen umfangreichen Systemwechsel bei Heizen und Warmwasser erreicht. Die Fernwärme spielt dabei eine wesentliche Rolle. In der Studie wurde eine Umstellung aller Bestandsgebäude auf zentrale Wärmeversorgung über Wärmepumpen oder Fernwärme modelliert. Die erforderlichen Investitionen in den Wechsel der Heizungssysteme bis 2040 wurden auf ca. 6 Mrd. € geschätzt, die energetische Sanierung der Bestandsgebäude auf 10 Mrd. €. Insbesondere die in Wien verbreiteten wohnungsindividuellen Gasthermen sind ab 2040 nicht mehr vorgesehen.

2040 sollen 56% des Wärmebedarfs in Wien über die Fernwärme abgedeckt werden. Geothermie und Großwärmepumpen werden dabei mehr als die Hälfte der Fernwärme produzieren. Während die Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen heute rund 52% der Wärme-Produktion ausmachen, liegt ihr Anteil 2040 nur mehr bei 13%. Ab den 2030er Jahren werden diese zunehmend mit Grünem Gas betrieben und erreichen so bis 2040 Null-Emissionen. Der übrige Teil wird im Wesentlichen durch die Müllverbrennungsanlagen und Abwärme aus der Industrie abgedeckt. Im Szenario „Klimaneutral 2040“ führt der umfangreiche Einsatz von Wärmepumpen in der Individualwärme zu Steigerungen des Strombedarfs im Wärmesektor von ca. 1,8 TWh im Jahr 2019 auf ca. 2,7 TWh im Jahr 2040. Diese Steigerung entspricht ca. 11 % des heutigen Wiener Stromendenergieverbrauchs.

Ähnlich wie München hat Wien hervorragende geologische Vorraussetzungen für die Nutzung der Geothermie. Bildquelle: DECARB21 - Endbericht (Oktober 2021)

Ist die Dekarbonisierung bis 2040 zu schaffen?

Zunächst erfordert die Umstellung erhebliche Handwerkskapazitäten in einem Zeitraum von weniger als 15 Jahren, stellt jedoch auch eine Chance für die regionale Wiener Wertschöpfung und den Wiener Arbeitsmarkt dar. Ein weiterer Knackpunkt der Dekarbonisierung stellt die zeitliche Entkopplung von energetischer und thermischer Sanierung dar. Da nicht alle heute fossil beheizten Gebäude an die Fernwärme angeschlossen werden können, macht die beschleunigte Dekarbonisierung bis 2040 absehbar den Einsatz von Wärmepumpen auch in nicht thermisch sanierten Gebäuden erforderlich. Dies geht einher mit höheren Investitionen in Wärmepumpen und ihre absehbare Überdimensionierung, sobald die thermische Sanierung nachgeholt wird.

Wien schafft Grundlagen

GeoTief ist ein Forschungsprojekt zur Vermessung der Geologie im östlichen Raum Wiens. Es geht dabei um die wissenschaftliche Erkundung der Potenziale für umweltfreundliche Wärme aus tiefliegenden Heißwasservorkommen. Dazu fanden Seismik-Messungen an der Erdoberfläche statt, die 2018 beendet wurden. Das gesamte Datenmaterial aus den Messungen wird nun wissenschaftlich ausgewertet und ein 3D-Modell der Wiener Geologie angefertigt.

„Das Potential der Tiefen Geothermie liegt in Österreich laut Studien zwischen 450 und 700 Megawatt. Bis zu 60 Prozent davon wird Wien zugeschrieben, weil das Potential hier auch die entsprechende Zahl an Abnehmern – in unmittelbarer Nähe – verfügbar wäre. Das Forschungsprojekt GeoTief leistet wesentliche Grundlagenforschung zur Nutzbarmachung dieses Potentials und kann entscheidend zur urbanen Wärmewende beitragen.“ sagte Theresia, Vogel, Geschäftsführerin, Klima- und Energiefonds

Für eine schnell gelingende Wärmewende bedarf es, ähnlich wie in Deutschland, umfangreicher Förderungen und Forschungsinitiativen für den Einsatz erneuerbarer Fern- und Nahwärme aus Geothermie. Außerdem sind Verwaltungsvereinfachungen und deutliche Beschleunigungen des Verfahrens zur Aufsuchung und Gewinnung geothermischer Energie erforderlich. Durch einfachere rechtliche Rahmenbedingungen können raschere und zielgerichtete Investitionen in den Ausbau der Tiefen Geothermie geleistet werden.

Quellen: Wien Energie, DECARB21 Studie, GeoTief, Bernd Vogel (Stadt Wien) - Symposium Geothermie 2021 Fürstenfeld, 10.-12. November