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Geothermisch beheizte Gewächshäuser – eine vielversprechende Perspektive für die Landwirtschaft

| News

Geothermisch beheizte Gewächshäuser verbinden Regionalität und klimafreundliche Produktion. Seit Jahren steigt in Deutschland das Interesse an nachhaltigen Lebensmitteln, da sie ein typisches Dilemma lösen:

Gemüsebau Steiner und BIOhof Kirchweidach

Es ist Winter, wir stehen im Supermarkt und wollen klimabewusst Tomaten einkaufen. Dabei stellt sich die Frage, welche Tomaten die geringsten Emissionen verursachen. Entscheiden wir uns für die BIO-Tomaten aus Spanien, oder greifen wir lieber auf regionale Tomaten aus einem Gewächshaus zurück?

Gewächshäuser werden zurzeit überwiegend mit Gas oder Öl beheizt. Selbst wenn durch den regionalen Anbau die Importkosten sowie der dazugehörige CO2 Ausstoß reduziert werden, wird Energie zum Beheizen der Gewächshäuser benötigt. In wärmeren Ländern reift das Gemüse durch kostenlose und CO2 freie Sonnenenergie, muss aber zum Teil einen weiten Weg bis in die Geschäfte zurücklegen. Eine Verknüpfung von CO2 freier Produktion und Regionalität ist der Schlüssel für nachhaltiges Einkaufen. Hier kommen geothermisch beheizte Gewächshäuser ins Spiel.

Wie werden Gewächshäuser geothermisch beheizt?

Bisher dominieren hydrothermale Systeme: Mit einer Förderbohrung in den Aquifer (1000-4500m tief) wird heißes Wasser über eine Tauchpumpe gefördert. Aber auch mit oberflächennaher Geothermie ist eine Beheizung von Gewächshäusern möglich. Ein Wärmetauscher entzieht dem Thermalwasser die Wärme und überträgt sie auf einen Wärmeträger, sodass sie für die Beheizung der Gewächshäuser genutzt werden kann. Das abgekühlte Thermalwasser wird durch eine Injektionsbohrung wieder zurück in den Aquifer geleitet. Dadurch entsteht ein geschlossener Kreislauf.

In Bad Blumau, Österreich wachsen mit der Hilfe von tiefer Geothermie Tomaten, Paprika, Gurken und Radieschen in einem Gewächshaus von Frutura. Auf der 26 Hektar großen Anbaufläche reifen jährlich bis zu 9000 Tonnen Gemüse. Rund 28.000 Tonnen CO2 werden eingespart.

Im bayrischen Kirchweidach wird eine Gewächshausfläche von 26,5 Hektar zu 95% über das Fernwärmenetz der benachbarten Geothermieanlage beheizt.

Das nachhaltige Energiekonzept des Gemüsebaus Steiner in Kirchweidach, Bayern

Der Betrieb kann fast ganzjährig Tomaten, Paprika und Erdbeeren anbauen und im Vergleich zu einem konventionellen Heizsystem mit fossilen Brennstoffen ca. 16,5 Millionen kg CO2 pro Jahr einsparen. Darüber hinaus entfällt der CO2 Ausstoß von ca. 1 Millionen gefahrener LKW-Kilometer, da sich die Importstrecke der Produkte erheblich reduziert. Zusätzlich zur tiefen Geothermie kommt in Kirchweidach eine Photovoltaik-Anlage zum Einsatz, diese versorgt den Betrieb zusätzlich mit Strom. Überschüsse werden in das regionale Stromnetz eingespeist. Schon seit Ende 2013 werden die Gewächshäuser durch 120°C warmes Thermalwasser beheizt. Das Projekt hat seitdem einen Vorreiterstatus in Deutschland. Ferner wird der Rücklauf des Heizwassers aus dem Fernwärmenetz der Gemeinde Kirchweidach, das ebenfalls durch die Geothermieanlage gespeist wird, sowie die Abwärme der Kirchweidacher Biogasanlage für die Beheizung genutzt. Im Wärmespeichertank kann die Wärme gespeichert und bedarfsgerecht eingesetzt werden.

In einem Interview spricht Vertriebsleiter Richard Kinzl über den Betrieb und die Entstehung des Gemüsebaus Steiner:

BVG: Wie ist Ihre Firma auf die Idee gekommen, Geothermie für den Gemüsebau zu nutzen?

Kinzl: Wir sind seit vielen Jahren in unterschiedlichen Sparten im Gemüsebau tätig und sehr mit der Problematik vertraut, dass durch die konventionelle Beheizung von Glashäusern mit fossilen Brennstoffen enorme CO2 Emissionen entstehen. Deshalb war es für uns keine Option ein Gewächshaus zu bauen, welches mit herkömmlicher Energie (also Öl oder Gas) beheizt wird. Unser Firmen-Stammsitz ist im grenznahen Bereich in Österreich. Als sich jedoch eine Geothermiebohrung im bayrischen Kirchweidach als fündig erwiesen hat, ist bei uns sehr schnell der Entschluss gereift, hier ein Gewächshaus zu bauen, welches CO2 frei beheizt werden kann.

BVG: Was glauben Sie, was es braucht, damit mehr Gewächshäuser geothermisch beheizt werden?

Kinzl: Vor kurzer Zeit lief im bayrischen Fernsehen ein Beitrag über einen regionalen Gemüsebauern. Dieser produziert zwar regional, beheizt jedoch seine Gewächshäuser mit fossilen Brennstoffen, was einen sehr hohen CO2 Ausstoß von ca. 1,1 kg je kg produzierter Tomaten zufolge hat. Das ist natürlich keine gute Werbung. Durch die Beheizung mit Geothermie können wir natürlich eine ganz andere CO2 Bilanz vorweisen und ich denke, dass es für die Gemüseproduktion absolut richtig wäre, nicht nur regional zu produzieren, sondern auch mit Geothermie zu beheizen, soweit diese verfügbar ist. Die Verfügbarkeit ist sicher die Quintessenz. Ich bin sehr oft im Kundenaustausch. Viele Konsumenten glauben, wenn Sie im Markt zu Bioware greifen, machen sie für sich und die Umwelt alles richtig. Wenn man dann analysiert, stellt sich jedoch sehr schnell heraus, dass die Umweltbilanz zum Beispiel bei Bio-Tomaten aus Spanien oder Tunesien durch die langen Transportwege doch nicht so gut ausfällt. Zudem können die Früchte durch die lange Transportdauer nicht vollreif geerntet werden und es fehlt sehr oft an Geschmack. Hier liegt sehr viel Potential in der geothermischen Beheizung für regionale und umweltfreundliche Produktion.

BVG: Wie gestalteten sich die Anfangsphasen des Projekts? Wie haben Sie es geschafft, mit ihrem Konzept erfolgreich zu werden?

Kinzl: Die Anfangsphase unseres Projektes war nicht ganz einfach, da wir in diesem Segment eine Vorreiterrolle innehatten. Nach Auffindung des Heißwasserfeldes sind einige Schwierigkeiten entstanden, welche den Zeitplan beeinflusst haben. Das betraf jedoch hauptsächlich den Betreiber der Bohrstelle. Wir sind ja nur Abnehmer der Geothermie. Auch war es anfangs auch schwierig, ein Projekt dieser Größenordnung finanzieren zu können. Für uns war in der Folge wichtig, dass wir uns auf unsere Kernkompetenz – die Gemüseproduktion konzentrieren können. Mit REWE und PENNY haben wir dann Vertriebspartner gefunden, mit denen wir seit Jahren vertrauensvoll und erfolgreich zusammenarbeiten. Ich denke, auch REWE und PENNY haben mit uns einen Partner gefunden, der genau in ihr Konzept von regionaler und nachhaltiger Produktion passt.

BVG: Was würden Sie anderen landwirtschaftlichen Betrieben raten, die ebenfalls Geothermie nutzen wollen? Haben sie Tipps?

Kinzl: Ich weiß nicht, ob es ein Patentrezept gibt. Für uns als Gemüseproduzent (mit einer kleinen Erweiterung – wir produzieren ja auch Erdbeeren, die ja nicht unter Gemüse fallen) war es einfach ein Glücksfall, dass in unserer Region geothermische Wärme vorhanden ist, und wir einen starken Vertriebspartner gefunden haben, mit dem wir sehr erfolgreich zusammenarbeiten. Unser Betrieb ist aufgrund der starken Nachfrage in mehreren Etappen gewachsen. Wir produzieren hier in Kirchweidach mittlerweile in 3 Gewächshäusern (2 konventionelle, 1 Bio-Gewächshaus).

© Gemüsebau Steiner

In den Niederlanden setzt die Agrarindustrie auf Geothermie

In den Niederlanden stammen bereits 4,5% der Wärme für den Gewächshausanbau aus tiefer Geothermie. Erklärtes Ziel ist bis 2050 etwa 60% der Gewächshäuser geothermisch zu beheizen.

Geothermie hat dort schon lange Fuß gefasst. In den Niederlanden wurde zuerst oberflächennahe Geothermie genutzt und das Interesse steigt kontinuierlich. Seit dem Jahr 2000 ist Geothermie ein Standard für das Energiemanagement neuer Bürogebäude. 2011 veröffentlichte das Ministerium of Economic Affairs den „National Action Plan for Geothermal Energy“. Dieser erleichterte die Nutzung von Geothermie ungemein, da einige geothermiespezifische Richtlinien verabschiedet wurden. Zur Unterstützung der Geothermie in den Niederlanden gibt es eine Fündigkeitsrisikoversicherung sowie Subventionsangebote für die Exploration. Zudem wurde 2014 der „Geothermal energy acceleration plan in horticulture“ angekündigt. In ihm ist eine jährliche Ausbaurate von 5 PJ tiefer Geothermie pro Jahr festgelegt.

Angebaut werden in den niederländischen Gewächshäusern zum Beispiel Tomaten, Gurken, Paprika und Erdbeeren (Greenhouse Geo Power Koekoekspolder, Duijvestihn Tomaten und Nature’s Heat), aber auch tropische Pflanzen (Vogelare geothermal heat project, Amerlaan - The Green Innovator und Floricultura). Zum Teil sind die Geothermieanlagen so effektiv, dass sie Gebäude und Betriebe in der Umgebung mitversorgen können. Oftmals schließen sich mehrere Betriebe zusammen, um sich die Investitionskosten zu teilen. In Maasdijk wurde ein Wärmeliefervertrag für das Geothermieprojekt in der Region unterzeichnet. Mit diesem binden sich die Beteiligten für 15 Jahre an das Projekt.

Die niederländische Firma Oserian baut in Kenia Rosen und andere Blumen in geothermisch beheizten Gewächshäusern ohne fossile Brennstoffe an. Dank der seit 2001 mit Geothermie betriebenen Gewächshäuser ist es möglich, Rosenarten mit besonderen Anforderungen anzubauen. Geothermie ist nicht nur als Wärmequelle im Einsatz: Mit einer 3 MW Geothermieanlage können 98% des Stromverbrauchs abgedeckt werden. Die Fahrzeuge, die die Blumen vom Gewächshaus zur Weiterverarbeitung transportieren werden, ebenfalls mit geothermischem Strom betrieben.

Geothermie wird internationaler Trend

Das findet auch Cardinal, eine Firma, die ein Geothermieprojekt in Nijar (Spanien) plant.  Thermalwasser aus 1.200 Meter Tiefe wird 14 Hektar Anbaufläche beheizen. Die Anbaufläche soll schrittweise auf 28 Hektar erweitert werden. Das Projekt hat bereits eine 30-jährige Nutzungsgenehmigung erhalten, weshalb es zum größten landwirtschaftlichen Geothermieprojekt in Spanien heranwachsen könnte.

Im türkischen Sivas gibt es ein ähnliches Vorhaben. In einem 6 Hektar großen, mit Thermalwasser beheizten, Glasgewächshaus werden bald Tomaten angebaut. Ziel des Pilotprojekts ist es, eine Inspiration für andere Gewächshausbetriebe zu sein und die Entstehung eines Clusters mit Geothermie betriebenen Gewächshäusern anzuregen. 

In Saskatchewan, Kanada erhofft man sich ebenfalls eine Clusterbildung. In der Stadt Moose Jaw wurde eine Studie zu den wirtschaftlichen Vorteilen der Nutzung von Geothermie in Auftrag gegeben. Die Auftraggeber sehen das Potential mit der Bereitstellung von geothermaler Wärme, den Agri-Food Industriepark der Stadt für Gewächshausbetreiber attraktiver zu machen. Eine weitere Hoffnung ist es, mithilfe von Geothermie Produktionsgebäude des Industrieparks beheizen zu können. Die Ergebnisse der Studie werden im Sommer 2021 vorgestellt.

Doch wie sieht es in Deutschland aus?

Dieser Frage gingen 27 Teilnehmende aus Wirtschaft und Politik in einem Online-Seminar im Rahmen des INTERREG-Projekts „Agropole“ nach, das von Agrobusiness Niederrhein e.V. und Brightlands Campus Greenport Venlo organisiert wurde. Das Projekt fördert den deutsch-niederländischen Austausch im Agrobusiness und stärkte auf diese Weise die Wirtschaftskraft der Grenzregion. Es wird durch das INTERREG-Programm Deutschland-Nederland unterstützt.

Herausforderungen sind bisher:

  • Geringe Verbreitung von nachhaltigen Wärmenetzen, an die sich die Gewächshausbetreiber anschließen lassen könnten
  • langwierige Genehmigungsverfahren von Geothermieprojekten
  • hohe Kosten für Probebohrungen und Inbetriebnahme sowie das Risiko, nicht ausreichend hohe Temperaturen oder zu geringe Fördermengen zu erzielen

„AgroPole“ geht davon aus, dass das Thema zum Beispiel in NRW, Bayern und im Nordwesten der Niederlande weiterverfolgt wird. Wie Gemüsebau Steiner in Kirchweidach demonstriert, ist es nachhaltig und wirtschaftlich Gewächshäuser in Deutschland geothermisch zu beheizen. Der Betrieb kann die Nachfrage seiner Produkte nicht mehr vollständig decken, denn das Interesse der Verbraucher an klimafreundlichen, regionalen Produkten steigt seit Jahren rapide an.

 

Quellen: RP Online: Agrobusiness Niederrhein organisierte Seminar Wärme aus der Tiefe als Energiequelle für den Gartenbau 

Gemüsebau Steiner, BIOhof Kirchweidach und Richard Kinzl

Tiefegeothermie: Auszeichnung für Geothermieprojekt Kirchweidach und Gewächshäuser der Niederlande: 4,5 Prozent des Wärmeanteils aus Geothermie

Gabot: Maasdijk: Erste Wärmelieferverträge unterzeichnet

Leadersnet: Wie aus Visionen Gemüse wird

Hortidaily: Vegetables to be grown in 6 hectare geothermal greenhouse in Sivas, Turkey

ThinkGeoEnergy: New project to utilise geothermal for greenhouse operations in Southern SpainCommunity in Saskatchewan, Canada exploring geothermal for agri-food industrial parkOserian Development named best renewable energy company in KenyaKenyan flower company utilizing geothermal power and heatGreenhouse operator utilising geothermal wins prestigious government sustainability award in the Netherlands und Dutch geothermal pioneer Ammerlaan nominated for energy award in the Netherlands.

Warm Beneath the Wind, Geothermal Holland von Susan Fox Hodgson März 2016 im GRC Bulletin