„Ohne Geothermie wird eine zukünftige Versorgung mit Fernwärme weitgehend oder sogar komplett auf der Basis erneuerbarer Energien und auf der Basis von Abwärme in Hamburg nicht funktionieren,“ meint Matthais Ederhof, Mitglied im Ausschuss für Energie der Handelskammer Hamburg und Geschäftsführer EnergieNetz Hamburg.
Ein Pilotprojekt hat das städtische Unternehmen Hamburg Energie in Wilhelmsburg bereits vorbereitet. Das Projekt wurde im Rahmen der sogenannten Reallabore für die Energiewende vom Bundeswirtschaftsministerium prämiert. „Mit der Arbeit in Wilhelmsburg könnten wir sofort starten. Da es nichts Neues mehr zu prüfen gibt, können wir nur noch mit einer realen Bohrung neue Erkenntnisse liefern“, sagt Thomas-Tim Sävecke, Bereichsleiter Produktion/Contracting bei Hamburg Energie. Durch den Aufbau eines neuen Nahwärmesystems in Wilhelmsburg könnten auf lange Sicht bis zu 70.000 Einwohner mit Geothermie versorgt werden.
Die Kosten für die zwei notwendigen Bohrungen belaufen sich auf insgesamt etwa 20 Millionen Euro. Im Raum steht noch die Frage, wie die das finanziert werden soll. Matthias Ederhof ist der Ansicht, dass Hamburg Energie die finanzielle Rückendeckung durch die Stadt Hamburg bei dem Geothermieprojekt in Wilhelmsburg benötigt. Deswegen sollte der Senat das Projekt verbindlich unterstützen.
Das alte Heizkraftwerk in Wedel, das den Hamburger Westen mit Fernwärme versorgt, soll ersetzt werden. Daran arbeitet die Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt. Nach einem voran gegangenen Volksentscheid 2013 hat Hamburg das Fernwärmenetz von Vattenfall in diesem Jahr zurückgekauft. In Zukunft soll die Wärmenergie aus kleineren, dezentralen Quellen kommen. Allerdings ist auch ein neues Gaskraftwerk von Umweltsenator Jens Kerstam (Grüne) geplant.
Die Handelskammer kritisiert das Vorhaben: „Die zwei kohlebefeuerten Kessel des Heizkraftwerks Tiefstack sollen nacheinander abgelöst werden, der erste Kohlekessel durch eine Wärmeleistungserhöhung der Müllverbrennungsanlage Borsigstraße und durch die Nutzung der industriellen Aurubis-Abwärme, der zweite Kohlekessel möglicherweise durch Gasbefeuerung“, sagt Ederhof. „Es kann aber im Sinne der Energiewende keine langfristige Lösung sein, Kohle durch Erdgas zu ersetzen, also letztlich eine fossile Energie durch eine andere. Die Handelskammer setzt sich dafür ein, dass der Senat das vorhandene Wärmekataster mit detaillierten Daten ergänzt, wo in Hamburg Geothermieprojekte möglich wären. Eine mögliche Quelle ist das vorhandene Bohrdatenportal.“
„Rund 90 Prozent der Wärmeversorgung in Hamburg basieren derzeit noch auf fossilen Quellen. Die Geothermie könnte und müsste Teil eines größeren Mixes aus erneuerbaren Energien sein, um das zu ändern. Das Projekt von Hamburg Energie in Wilhelmsburg ist als Pilotprojekt von großer Bedeutung für die Stadt“, sagt Reinhard Stuth, Mitglied des Handelskammer-Energieausschusses und geschäftsführender Gesellschafter von HanBao Neue Energien.
Möglich wäre auch, dass alte Anlagen der Öl- und Gaswirtschaft aus Hamburger Gebiet umzuwidmen. „In Reitbrook im Bezirk Bergedorf gibt es alte Öl- und Erdgasbohrungen auf Hamburger Gebiet“, sagt Matthias Ederhof. „Diese Strukturen ließen sich auch für die Geothermie nutzbar machen, etwa für die Versorgung eines künftigen neuen Wohnquartiers für mehr als 7000 neue Wohnungen in Oberbillwerder.“
Quelle: Welt