Etwa 60% der Wiener Stadtwohnungen werden derzeit noch mit Erdgas beheizt. Für die Umsetzung der Energiewende müssen für die bestehenden fossilen Heizungssysteme nachhaltige Alternativen gefunden werden. Da die Verwendung von Biomasse und Luftwärmepumpen in dicht bebauten Gebieten erhebliche Nachteile aufweist, spielen Wärmepumpensysteme mit Erdwärmesonden hier eine immer wichtigere Rolle. Besonders die geringe Feinstaubbelastung, der geringe Flächenbedarf und die langfristige Wirtschaftlichkeit spricht für den Einsatz der Geothermie in Innenstädten. Auch die Möglichkeit, durch den Einsatz von Erdwärmesonden und kalten Nahwärmenetzen mit geringem Energieaufwand kühlen zu können und die Abwärme im Erdreich zu speichern, ist hinsichtlich der Hitzeproblematik in den Städten von zunehmender Wichtigkeit.
Geothermie als Teil von Sektorenkopplung ist in Ballungsräumen besonders notwendig
Im Auftrag der Stadt Wien führte die Österreichische Gesellschaft für Umwelt und Technik (ÖGUT) 2020 die Machbarkeitsstudie „Die Stadt als Energiespeicher“ in zwei dicht bebauten Testgebieten durch. Untersucht wurde die Energieversorgung mit einem Solar/Erdwärmesonden/Wärmepumpen-System in Verbindung mit einem kalten Fernwärmenetz. Die Ergebnisse der Studie sind vielversprechend. Trotz des hohen Flächenmangels könnte die Wärmeleistung, welche für Heizung und Warmwasser benötigt wird, durch die Erdwärmesonden bereitgestellt werden. Etwa 60% der dafür nötigen Flächen könnten dabei auf öffentlichen Flächen wie Gehsteige, Parkplätze und Straßen bereitgestellt werden. In den sonnenreichen Monaten kann durch den zusätzlichen Einsatz von Solarthermie sogar die 4-fache Menge des Wärmebedarfs der Gebäude erzeugt werden.
Grüne Wärme auf lange Sicht günstiger
Der Vollkostenvergleich für ein Gründerzeithaus für einen Zeitraum von 20 Jahren zeigte, dass die Fortführung der Gas-Heizungen insgesamt etwa die gleichen Kosten verursacht wie der Umstieg auf ein Solar/Erdwärmesonden/Wärmepumpen-System. Die moderate Kühlung durch das kalte Nahwärmenetzt bringt gegenüber dem konventionellen Gas-Heizungssystem weitere Vorteile. Ab dem zwanzigsten Jahr ist das Solar/Erdwärmesonden/Wärmepumpen-System aufgrund der geringeren Betriebskostendeutlich günstiger als das gasbetriebene System.
Geothermie flächendeckend nutzbar
Im Wiener Stadtgebiet gibt es noch erhebliches Potenzial für einen Ausbau der Erdwärmenutzung. In der Studie „Erdwärmepotenzialerhebung im Stadtgebiet Wien“ der Geologischen Bundesanstalt wird in einer kombinierten Potenzialkarte für Erdwärmesonden bis 100m und Grundwasserwärmepumpen gezeigt, dass beide Techniken sich flächendeckend im gesamten Stadtgebiet einsetzten lassen. Einige Leuchtturmprojekte nutzen bereits dir Vorteile – Tendenz steigend.
Sämtliche Wohnungen im Bauprojekt HOHE WARTE werden über hocheffiziente Anlagentechnik mit Wärme und Kälte versorgt. Dies wird über zentral gelegene Wärmepumpenanlagen umgesetzt. Gewinnung der Wärme sowie Kühlung wird über 46 Tiefenkollektoren realisiert. Die Wärmeeinbringung erfolgt primär über Fußbodenheizung. Die Niedertemperaturheizung wird auf 40/32 °C ausgelegt. Die Warmwasserbereitung erfolgt zentral über die jeweiligen Wärmepumpenanlagen.
Für das Krankenhaus „Göttlich Heiland“ wurde ein neuer Trakt mit gemischter Nutzung bestehend aus Bettengeschoßen und Funktionsgeschoßen (OP-Anlagen, Intensivstation, Therapie- und Behandlungsräume) mit direkter Anbindung an die bestehenden Gebäudestrukturen errichtet. Das Erdwärmesondenfeld bestehend aus 36 Sonden à 200 m und generiert eine Gesamtwärmeleistung von 230 kW und eine Kühlung von 460kW.
Das neueste Leuchtturmprojekt ist das Multi-Use-Ensemble VIENNA TWENTYTWO. Es ist eines der größten städtebaulichen Projekte Wiens. Sechs Geothermie-Kreisläufe mit rund 150 Erdwärme-Tiefensonden, sowie eine Brunnenanlage sind Grundlage für den Betrieb von Wärmepumpen. In den 650 Wohnungen sind Fußbodenheizungen verbaut. Wechselseitig wird über dasselbe System die Gebäudekühlung im Sommer sichergestellt.
Im innerstädtischen Bereich und Ballungsräumen ist neben oberflächennaher Geothermie auch Tiefe Geothermie möglich, wie bereits einige deutsche Städte im norddeutschen Becken, dem Rheingraben und dem bayrischen Molassebecken zeigen.
Quellen:
[1] ÖGUT (2020): AnergieUrban - Stufe 1: Die Stadt als Energiespeicher
[2] Stadt Wien (2016): Erdwärme! voraus
[3] Dachverband Geothermie Österreich