Wärmewende wurde vernachlässigt
In den letzten Jahrzehnten wurde parallel zum starken Ausbau der erneuerbaren Energien im Strombereich, die Wärmewende weitgehend vernachlässigt oder ganz vergessen. Vorgaben für energiesparendes Bauen im Neubau und – noch wichtiger – die Steigerung der Sanierungsrate für bestehende Gebäude sind ausgeblieben. Und obwohl seit Jahren das Wort der „Sektorkopplung“ die Runde macht, wurde dies meist nur einseitig verstanden, nämlich als Stromanwendung im Wärmesektor. Dass es seit vielen Jahrzehnten die Technik der Kraft-Wärme-Kopplung gibt, ob als Kleinstanlage oder in Großkraftwerken wurde tunlichst übersehen. Noch problematischer ist, dass sich zwischen den verschiedenen im Folgenden dargestellten Komponenten der Wärmewende immer mehr Konkurrenzen aufgetan haben und auch durch Spartenvertreter verstärkt wurden. Da stellen sich die Fragen, Einzelheizung oder Wärmenetz, Solarthermie oder Photovoltaik, Geothermie oder Biomasse, und wenn ja, in welcher Form aus welcher Quelle. Schon diese Bestandsaufnahme zeigt, dass es einer Strategie bedarf, die zudem nicht allein auf der Ebene „Technologieoffenheit“ und Marktwirtschaft entschieden werden kann, sondern vielmehr einer rationellen Planung und Organisation von Energieeinsparung und Wärmeversorgung bedarf. Man könnte sagen, es gibt ein Recht auf Wärmeversorgung und damit diese erneuerbar und preiswert zugleich ist, bedarf es einer Planung von Wärmeversorgungssystemen und Energietechnologien. Ansonsten können Kostenvorteile durch Skalierungseffekte von Wärmenetzen nicht genutzt werden.
„Efficiency first“
Im Jahr 2016 proklamierte der damalige Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel die Parole „Efficiency first“. Es wurden Ziele formuliert, es wurden Leitfäden erstellt, jedoch fehlten oft die letzten Schritte zur Umsetzung in die Breite, bis auf durchaus zahlreiche Vorzeigeprojekte. Zentraler Ansatz ist, dass in aller Regel die Energieeinsparung kostengünstiger ist, als jegliche Energieversorgung. Energieeinsparung bei Gebäuden bedeutet, wenn ohnehin bauliche Sanierungsmaßnahmen anstehen, bei dieser Gelegenheit dann die jeweils beste Bauweise einzusetzen – neue Fenster mit Dreifachverglasung, Wärmedämmung mit mind. 15 cm Dicke, Lüftungsanlagen mit Wärmerückgewinnung. Damit kann der Heizwärmebedarf meist schon um 30-50% gesenkt werden. Weitere 20-30% Einsparung kann sich aus dem Einsatz neuer Heizungs-techniken ergeben, schlicht weil der Bestand alter Kessel auf Basis fossiler Brennstoffe wie Heizöl oder Erdgas nur Jahresnutzungsgrad von 60-80% aufweist – den Betreibern meist unbekannt, da der Schornsteinfeger nur die Abgasverluste misst, weitere Ineffizienzen jedoch größer sind. Vorteil der Energieeinsparung ist, dass damit auch ein höherer Komfort, wie wärmere Wände und bessere Luft einhergeht.
Mit der Senkung des Heizwärmebedarfs um den Faktor zwei bis drei entspannt sich die Frage, welches Heizungssystem die beste Alternative ist, die Antwort muss in jedem Fall sein, erneuerbare Energie, aber deutlich weniger als bisher. Dies entlastet die Strategie bei der Frage nach den verfügbaren Energiequellen und die Verbraucher von zu hohen Kosten. Nichts ist so schädlich für Verbraucher*innen und die Energiewende, wie ein zu hoher Einsatz von erneuerbaren Energien mit ineffizienten Techniken in unsanierten Gebäuden.
Um wirklich die Sanierungsraten von 1 % auf 4% und mehr zu steigern, bedarf es aber nicht nur den bekannten KfW- und BAFA –Förderprogrammen. Es müssen Hemmnisse im Mietrecht beseitigt werden, z.B. durch das vom BUND und Deutschen Mieterbund entwickelte „Drittelmodell“ der Kostenaufteilung zwischen Vermieter, Mieter und Staat. Dann haben alle Akteure Vorteile.
Wärmenetze fügen zusammen, was zusammen gehört
Wärmenetze sind die Voraussetzung zur Wärmelieferung aus einer oder mehreren zentraleren Erzeugungseinheiten an eine Vielzahl von Wärmeverbrauchern. Vorteil auf der Nutzerseite ist, dass Platz frei wird, wo zuvor Kessel und /oder Öllager standen. Vorteil für die Energiestrategie ist, dass über Wärmenetze mehrere Energieträger zusammengeschaltet werden können, bspw. dauerhafte Wärmeversorgung in der Grundlast, Mittellast und Spitzenwärmeerzeuger als Reserve. Man vermeidet damit die Überdimensionierung vieler Einzelanlagen. Natürlich muss sich dies für die Verbraucher*innen lohnen. Zunehmend nehmen diese das sogar selbst in die Hand und bauen Bioenergiedörfer mit eigenen Wärmenetzen als Genossenschaft aus, Erzeuger und Kunde in einer Person. Klassische Fernwärmenetze sind meist in der Hand größerer Stadtwerke oder anderer Wärmelieferanten. Ihre Lieferung wird oft mit einem Anschluss- und Benutzungszwang der Kommune verbunden, was ein höhere Anschlussdichte und tendenziell geringere Preise bewirken kann. Dafür sollte die Kommune aber auch mit dem Versorger gegenüber den Kunden für eine transparente Preisgestaltung sorgen. So mancher Streit um Fernwärmepreise hätte vermieden werden können, auch wenn die Kunden gewusst hätten, dass sie mit einer Einzellösung nicht besser gefahren wären. Dies kann dazu beitragen, dass teilweise schlechte Image der Fernwärme zu überwinden.
Wärmenetze sind also auf dichte Anschlüsse angewiesen und sind zugleich die Sammelschienen für verschiedene Wärmequellen im Rahmen einer Energiestrategie, die den örtlichen Bedingungen angepasst werden muss. Dies ist die Aufgabe der Kommunen! Denen fehlt jedoch zur Erarbeitung von Wärmekatastern, Wärmenutzungsplanungen der definitive Auftrag einerseits und die Finanzierung andererseits. Daher muss Klimaschutz zur kommunalen Pflichtaufgabe werden. Die Länder müssen den Kommunen die Pflicht für Wärmeplanungen auferlegen – und ihnen dazu die erforderlichen Mittel für Personal und Sachmittel bereitstellen. Von Bundesseite helfen das Bundesprogramm effiziente Wärmenetze (BEW), die Nationale Klimaschutz-Initiative sowie KfW-Förderungen für Quartierslösungen.
Woher kommt die grüne Wärme?
Diese Frage wird derzeit in zahlreichen Studien und lokalen Projektierungen bearbeitet. Eine Standardantwort lautet „Wärmepumpe“. Wird diese mit Strom aus erneuerbaren Energie betrieben, was jedoch auch nicht immer sicher ist, da Kohlestrom wohl noch ein Jahrzehnt erzeugt wird, verschiebt sich die Fragestellung auf die Wärmequelle der Wärmepumpen. Dabei zeigen sich jedoch immense Unterschiede in deren Effizienz. Studien sowohl von Fachinstituten als auch des BUND haben gezeigt, dass die entscheidende Jahresarbeitszahl je nachdem zwischen 2,5 und 4,5 liegen kann. Dies bedeutet, dass der zusätzliche Strombedarf für Wärmepumpen bundesweit zwischen 20 und 60 TWh Strom liegen kann, mit den Extremen ineffiziente WP in unsanierten Gebäude und umgekehrt. Die Stromspitze liegt dann zwischen 10 GW und 30 GW, wobei der schlechte Fall zu erheblichen Problemen der Stromversorgungssicherheit führen kann – es war kalt, alle Wärmepumpen auf Hochtouren und draußen ist dunkle Windstille im Winter. Erneut zeigt sich, dass gemeinschaftlich geplante Konzepte und Energieeffizienz der Kern der Lösung sind. Daher sollten Wärmepumpen endlich gesetzlich vorgeschriebene Wärmemengen- und Effizienzzähler erhalten und eine JAZ von mindestens 4,0 aufweisen.
Seit vielen Jahrzehnten wird zudem der Konflikt zwischen Kraft-Wärme-Kopplung und Wärmepumpen beschworen. Der Unterschied ist jedoch einfach, denn KWK liefert Strom in Verbindung mit der Wärmelieferung, Wärmepumpen verbrauchen Strom. Künftig wird aber die sog. „Residuallast“, also die Differenz zwischen Strombedarf und bereitstehender Erzeugung auf erneuerbaren Energien immer mehr fluktuieren. Zeiten mit „Überschuss“, in denen WP die erste Wahl sind und Zeiten mit „Unterdeckung“, in denen KWK die erste Wahl ist, werden sich von Tag zu Tag ändern. Also braucht es beide Techniken, die abwechselnd betrieben werden, sinnvollerweise nicht in jedem Haus, sondern zentral verbunden mit einem von beiden Techniken versorgten Wärmenetz.
Vielfalt der Wärmequellen
So schwierig es derzeit noch oft ist, den richtigen Mix der Wärmequellen zu finden, so reichhaltig sind durchaus die Energieträger der Wärmewende.
Wärmepumpen können Wärme aus oberflächennahe Geothermie nutzen, typischerweise mit Wärmetauschern im Garten oder Bohrungen. Luft-Wasser-Wärmepumpen weisen oft zu geringe Jahresarbeitszahlen auf. Hier sollte das Zusammenspiel von Gebäudesanierung, WP-Technik mit einer Garantie der Anbieter zur Effizienz der Anlage verbunden werden.
Wärmepumpen im Bereich einiger Megawatt können derzeit leider viel zu wenig genutzte Abwärme aus Gewerbe und Industrie verwenden. Ca. 10% des Wärmebedarfs einer Kommune kann hierdurch gedeckt werden. Man kann Wärme aus den Flüssen ziehen, die zum Glück für die Fische durch Abschaltung der Abwärmeeinleitung aus fossilen und atomaren Großkraftwerken wieder etwas kühler werden. In einigen Hochburgen von Rechenzentren, wie im Rhein-Main-Gebiet, aber auch großen Bürogebäuden kann die immense Abwärme der Server der Input für große Wärmepumpen sein. Theoretisch könnte ein Großteil des Wärmebedarfs der Städte damit gedeckt werden.
Besonders effizient werden Wärmepumpen, wenn man ihnen also Wärme mit höheren Temperaturen anbietet, insbesondere aus Solarthermie. Pfiffig sind da Anlagen mit sog. PVT-Kollektoren, die solarthermische Kollektoren mit PV-Modulen verbinden. Was auf dem Dach von kleineren Gebäuden geht, kann auch für ganze Ortschaften umgesetzt werden, Solarthermie-Freiflächenanlagen mit Wärmepumpen und Wärmenetzen. Dänemark ist hier Vorbild.
Die Tiefengeothermie, mit Tiefen zwischen 1000 und 4000 m kann vor allem in bestehenden oder neu errichteten Wärmenetzen einen hohen Anteil der Wärmeversorgung annehmen. Potentiale liegen insbesondere vor im Bayerischen Molassebecken, wo in den letzten 15 Jahren zahlreiche Projekte erfolgreich umgesetzt wurden, und - wenig bekannt- in Mecklenburg-Vorpommern. Da bisher nur wenige Projekte der Stromerzeugung aus Tiefengeothermie umgesetzt wurden, verlagert sich im Rheingraben die Strategie auf eine reine Wärmenutzung. Voraussetzung für die Akzeptanz sind die Vermeidung von leichten Erdbeben, gute Kommunikation und die Aussicht, kostengünstige Wärme ohne Verheizung von Kohle zu erhalten.
Schließlich wird auch Wärme aus Müllverbrennungsanlagen in großen Städten einen kleinen Beitrag leisten. Für den BUND ist diese Wärme jedoch im Gegensatz zum Gesetzeswerk keine grüne Wärme, soweit diese aus vermeidbaren Abfällen von Produkten aus fossilen Energien besteht.
Abwärme aus KWK-Anlagen, die mit Biomasse befeuert werden, ist hingegen grüne Wärme, wenn die Biomasse nachgewiesen aus nachhaltiger Bewirtschaftung kommt. Es ist nicht entscheidend, ob die Biomasse früher CO2 beim Wachstum gebunden hat, sondern ob sie wieder nachwächst. Vorteil ist die Speicherbarkeit von Energie aus Biomasse. Wesentlich ist daher, dass Biomasse mehr und mehr in der Wärme-Mittellast oder als Reserve in der Spitzenlast eingesetzt wird. Biogasanlagen können künftig mehr mit Blühpflanzen als mit Mais gefüttert werden. Sie sollten mit 2-3 mal höheren Leistungen als bisher zur Sicherheit der Stromversorgung beitragen und ihre Wärme in die Wärmenetze nahegelegener Orte liefern. Holzabfälle aus Sperrmüll, Gewerbe und Industrie sind zudem mit Kraft-Wärme-Kopplung Quelle für Hochtemperaturwärme in der Industrie.
Fazit
Die Wärmewende ist machbar. Während der Ausbau der Stromerzeugung durch das EEG die finanzielle und politische Kraft einer Vielzahl voneinander unabhängiger Akteure mit tausenden von Projektgesellschaften der Windenergie und über 1 Million von Betreibern von PV Anlagen freigesetzt hat, ist die Wärmewende auf koordinierende Akteure, wie die Kommunen angewiesen. Sie müssen die Wärmepotentiale lokal ermitteln, den Ausbau und Aufbau von Wärmenetzen organisieren. Neben den Stadtwerken als Betreiber schon lange existierender Wärmenetze werden „Erneuerbare Energie Gemeinschaften“ gem. Art. 16 der EU-RED-Richtlinie, bisher noch verhindert durch das BMWI, wichtige Träger lokaler neuer Wärmenetze sein, die selbst planen, wie welche der vielen Wärmequellen in ihrem Bereich sinnvoll kombiniert werden. Und sie werden auch Effizienz-Gemeinschaften sein, die gemeinsam den Wärmebedarf mindern.
Dr. Werner Neumann
Dipl. Physiker, ehem. Leiter des Energiereferats der Stadt Frankfurt am Main, Seit 2004 Sprecher des Bundesarbeitskreises Energie im Wissenschaftlichen Beirat des BUND.
Quellen:
www.energieinstitut-hessen.de/newpage19cdeee9
BUND Position Tiefengeothermie. www.bund.net/fileadmin/user_upload_bund/publikationen/bund/position/geothermie_position.pdf