Ampel (traffic light system, TLS) ist ein etwas salopper Begriff, der in der Seismologie oder genauer bei der Beschreibung der Beherrschbarkeit induzierter Seismizität anstelles des Begriffes 'Reaktionsschema' insbesondere bei der Kommunikation mit der Öffentlichkeit gerne benutzt wird.
Die Ampel definiert dabei genaue Vorgehensweisen, die einzuhalten sind, wenn das seismische Monitoring Grenzwerte erreicht oder überschreitet.
Der maßgebliche Grenzwert ist meist die maximale Schwinggeschwindigkeit (PGV), gelegentlich werden aber im Einvernehmen zwischen Betreiber und Öffentlichkeit leider auch Magnituden als Grenzwerte vereinbart. Wegen des lokal engen Bezuges zwischen diesen beiden Größen ist dies tolerierbar wenn auch unschön, da die Magnitude eben ein Emissionsmaß und kein Immissionsmaß ist. Bei der Beurteilung der Einwirkung an einem bestimmten Einwirkungsort oder auf ein bestimmtes Schutzgut sind grundsätzlich Immisionwerte zu verwenden, Dies geschieht normkonform auch bei den meisten anderen Einwirkungsarten, wie Lärm, Staub, Gas (NOx).
Die Wissenschaft arbeitet derzeit daran, neben den sich auf die Vergangenheit beziehenden Messgrößen auch 'prognostische' oder 'prädiktive' Elemente in ein dann deutlich komplexeres Ampelmodell einzubauen.
Ein typische Ampel ist die des Verfahrens in Rheinland-Pfalz, wo richtigerweise die Schwinggeschwindigkeit benutzt wird. Es ist das einvernehmliche Ergebnis eines großen öffentlichen Mediationsverfahrens mit allen Beteiligten und seit Jahren von der Bergbehörde anerkannt.
Betriebsregeln Stufenplan (nach Landesamt für Geologie und Bergbau Rheinland Pfalz) | ||
Stufe | Schwinggeschwindigkeit | Maßnahme |
| V < 0,2 mm/sec | Keine Reaktion |
1 | 0,2 mm/sec < V < 0,5 mm/sec | Benachrichtigung; Dokumentation aller Erschütterungen |
2 | 0,5 mm/sec < V < 1,0 mm/sec oder 5 Ereignisse in 12 h nach 1. | Benachrichtigung; vorübergehende Verringerung der Fließrate |
3 | 1,0 mm/sec < V < 3,0 mm/sec | Benachrichtigung; Auswertung der Ereignisse; vorübergehende stufenweise Reduktion der Fließrate |
4 | 3,0 mm/sec < V < 5,0 mm/sec | Benachrichtigung; Auswertung der Ereignisse; weitere Reduktion der Fließrate |
5 | 5,0 mm/sec < V < 10,0 mm/sec | Benachrichtigung; Betrieb mit minimierter Fließrate über einen längeren Zeitraum in Absprache mit der Bergbehörde |
6 | V > 10 mm/sec, d.h. | Herunterfahren des Kraftwerks |
Die seismologische Ampel kann ein Bestandteil der rechtlichen Behandlung von Geothermieanlagen sein. In Deutschland wird die Nutzung geothermischer Energie durch das Bundesberggesetz geregelt. Dies schreibt vor:
Generell bedeutet dies, dass kleinere Schäden toleriert werden müssen, diese aber durch den Betreiber/ Verursacher zu regulieren sind (Reparatur, Entschädigung). Dieser bergrechtliche Grundsatz ist Folge der seit langem bestehenden Notwendigkeit der Rohstoffsicherung, der sich heute auch auf das öffentliche Interesse am verstärkten Einsatz der Geothermie als Erneuerbare Energie erstreckt. Heute (2022) ist die Bereitstellung von Erneuerbaren Energie sogar von einem herausragenden öffentlichen Interesse und bedeutend für die nationale Sicherheit, dadurch werden die Privilegierungen des Bergrechts weiter unterstrichen.
Die, auch öffentlich kommunizierte Ampel, beschreibt zunächt, wie der Anlagenbetreiber mit den aufgezeichneten seismischen Ereignissen umgehen will, wie er reagieren will. Durch eine Verankerung in Betriebsplänen kann die Ampel und damit die dort vorgeschrieben Reaktionen aber für den Betreiber verbindlich werden. Betreiber sollten dieses Vebindlichmachen der Ampel vermeiden.
In der öffentlichen Diskussion im Zusammenhang mit der Akzeptanz geothermischer Anlagen wird die Ampel oft zu einem Thema. Betreiber von Geothermieanlagen versuchen, spürbare seismische Ereignisse zu vermeiden. Es wäre aber ein Fehler hier die Ampel an der Fühlbarkeitsgrenze auszurichten. Dies würde dazu führen, dass die Ampel, bezogen auf die Schwinggeschwindigkeiten um einen Faktor 10-50 'schärfer' würde als z.B. die behördlich anerkannte Ampel in Rheinland-Pfalz. Diese sieht die Grenze zu Stufe 6 bei 10 mm/s (5 mal überschritten). Die Fühlbarkeitsgrenze liegt bei etwa 0,3 mm/s. Solche verschärften Ampeln sollten keinesfalls Bestandteil von Betriebsplänen sein.
Peter Meier, Andreas Alcoles Rodrguez, Falko Bethmann: Lessons Learnt from Basel: New EGS Projects in Switzerland using Multistage Stimulation and a Probabilistic Traffic Light System for the Reduction of Seismic Risk
Gaucher, E.: Microseismic monitoring of geothermal fields: More than a traffic light system. In: Aspects of geothermal power plants in operation, eds. Dittman, E. & Schneider, J. Enerchange GbR, Freiburg im Breisgau, Germany S. 14-18
Groos, Jörn C., Fritschen, Ralf; Ritter, Joachim R. R., Untersuchung induzierter Erdbeben hinsichtlich ihrer Spürbarkeit und eventueller Schadenswirkung anhand DIN 4150, Bauingenieur, 88 (2013) S. 344-384
Hofmann H., Zimmermann G., Zang A., Min K.-B.: Cyclic soft stimulation (CSS): a new fluid injection protocol and traffic light system to mitigate seismic risks of hydraulic stimulation treatments.
In: Geothermal Energy Nummer 6 (2018), 10.1186/s40517-018-0114-3
Induzierte Seismizität, Position des GtV-BV Geothermie e.V., https://www.geothermie.de/verband/politische-positionen.html
Kendall J.M., Butcher, A., Stork, A.M., How big is a small earthquake? Challenges in determining microseismic magnitudes, First Break (2019) 37, S. 51-56, DOI: 10.3997/1365-2397.n0015
zuletzt bearbeitet Juli 2022, Änderungs- oder Ergänzungswünsche bitte an info@geothermie.de