Anisotropie (griech.: "an(ti)” gegen/nicht "isos” gleich, "tropos” Drehung, Richtung) bezeichnet die Richtungsabhängigkeit einer Eigenschaft oder eines Vorgangs. Anisotropie ist das Gegenteil von Isotropie. Der Begriff wird in diesem Sinn in der Physik (z. B. Strahlung, Magnetismus, Ausbreitungsgeschwindigkeit von Erdbebenwellen), Materialwissenschaft, Kristallographie und Mathematik auf jeweils unterschiedliche Eigenschaften der betrachteten Systeme angewandt.
In der Geothermie ist sowohl das Fließen von Wärme als auch das von Fluiden in der Regel anisotrop. Dies gilt auch für viele andere geophysikalische Vorgänge.
In der Seismik spielt die Anisotropie bei der Wellenausbreitung eine Rolle. Die Ausbreitungsgeschwindigkeit ist in der Regel richtungsabhängig. Dies gilt schon für einzelne Kristalle, bedeutender ist aber die durch Schichtung oder Klüftung bedingte Anisotropie.
Für eine ebene Schichtung mit Schichmächtigkeiten klein gegen die Wellenlänge ist die Ausbreitungsgeschwindigkeit senkrecht zur Schichtung unterschiedlich von derjenigen parallel zur Schichtung. Hingegen ist die Geschwindigkeit für alle möglichen Richtungen parallel zur Schichtung immer dieselbe. Diese Form der Anisotropie nennt man transversalisotrop. Diese Sonderform der Anisotropie ist sowohl bei der Explorationsseismik als auch bei der Seismologie (Erdbebenkunde) von großer Bedeutung. Transversalisotrop sind auch bestimmte (hexagonale) Kristalle.
Transversalisotropie bezieht sich sowohl auf P-Wellen (longitudinal) (P) als auch auf die beiden S-Wellen (Scherwellen) mit vertikaler (SV) und horizontale (SH) Polarisierung. Da die Schwingungsrichtungen bei diesen Wellen nicht mehr exakt longitudinal bzw. trandversal sind, spricht man auch von quasilongitudinalen bzw. quasitransversalen Wellen. Hier ist dann auch die Ausbreitungsrichtung nicht mehr ganz rechtwinklig zur Wellenfront.
Häufig wird unterstellt, dass die Geschwindigkeiten zwischen den Extremen, parallel und senkrecht zur Schichtung, elliptisch verteilt sind. Dies ist jedoch nicht der Fall. Die komplizierte Verteilung der P-Geschwindigkeiten (V2 der Abbildung) hat unter einem bestimmten Winkel sogar ein Minimum.
Die für Schichtung gemachten Aussagen gelten ähnlich auch für geklüftetes Gestein, wenn die Zerklüftung aus vielen gegenüber der Wellenlänge kleinen, parallel zueinander verlaufenden Klüften besteht. Da hier nun die beide Scherwellengeschwindigkeiten (SV und SH) unterschiedlich sind, spaltet sich das S-Wellensignal in zwei zeitlich getrennte Signale auf: shear wave splitting. Aus dieser Aufspaltung können Aussagen über die Klüftigkeit abgeleitet werden.
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http://de.wikipedia.org/wiki/Anisotropie
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