Die Eisfreihaltung von beispielsweise Verkehrsflächen ist ein Anwendungsgebiet der Geothermie, insbesondere der Oberflächennahen Geothermie.
In Allgemeinen wird im Sommer auf der Verkehrsfläche gewonnene Wärme im Untergrund gespeichert und im Winter zur Eisfreihaltung verwendet.
Bisher wurden Anlagen zur Eisfreihaltung von Brücken und Bahnsteigen, aber auch von Auffahrten etc. verwirklicht. Neben Anlagen mit umgepumptem Fluid als Wärmeträger kommen auch Wärmerohre (Heat Pipes) in Frage.
An der A1 bei Köln wurde 2016 eine größere Testanlage installiert.
Eine besondere Bedeutung scheint die Eisfreihaltung von Weichen in Gleisanlagen zu bekommen. Insbesondere gilt dies für Fälle mit vielen Weichen wie im Vorfeld von Bahnhöfen oder Güterbahnhöfen.
Zur Eisfreihaltung wird durch im Belag installierte Absorberrohre erreicht, dass die Temperatur des Belags bzw. der Oberfläche ganzjährig nicht weniger als 0 °C beträgt, wodurch die Entstehung von Eis- oder Schneeschichten verhindert werden kann. Der Einsatz von Streusalz oder eine mechanische Reinigung ist dann nicht mehr erforderlich. Die „Beheizung“ von Verkehrsinfrastrukturanlagen wird vor allem auf Brücken, Gleisen bzw. Weichen oder Flugbetriebsflächen eingesetzt, da dort andere Methoden der Eisfreihaltung nur schwer möglich sind, oder zu hohen Kosten führen würden (VBI, 2012).
Die Beheizung von Fahrwegen zur Eisfreihaltung hat vor allem in Nordamerika lange Tradition. Hier sind seit den 1950er Jahren ausgeführte Projekte bekannt bzw. im Betrieb. In den frühen Anwendungen erfolgte die Beheizung des Fluids mit Hilfe von gas- oder elektrisch betriebenen Systemen. Da diese Systeme durch einen sehr hohen Energie- bzw. Stromverbrauch gekennzeichnet sind, wird in neueren Entwicklungen vermehrt Erdwärme als Wärmequelle verwendet.
Das erste System zur Eisfreihaltung mit Erdwärmekollektoren als Energiequelle wurde 1969 in Trenton (USA) realisiert (Lund, 2000). Seitdem wurden in den USA, Japan, Island, Argentinien, der Schweiz, den Niederlanden und in Deutschland Projekte realisiert (z. B. Würtele et al., 2005; Hanschke et al., 2009; Lund et al., 2011). Derzeit sind weltweit ca. 2 Mio. m² Infrastrukturfläche thermisch aktiviert, wobei der größte Anteil in Island zu finden ist (Lund et al., 2011). Die erste Anlage in Deutschland ist seit 2005 beim Bahnsteig in Barbis (Harz) in Betrieb (Genath, 2011). Die erste „geothermische Brücke“ in Deutschland wurde 2009/2010 in Berkenthin errichtet (Hanschke et al., 2009). Ein Überblick über verschiedene Systeme und Projekte zur Eisfreihaltung von Verkehrsinfrastrukturanlagen findet sich z. B. in Lund (2000), Würtele et al. (2005) oder Yu et al. (2014).
Prinzipiell können sowohl geschlossene als auch offene geothermische Systeme als Energiequelle zur Eisfreihaltung verwendet werden. Je nach Energiebedarf und der vorhandenen Quelltemperatur kann bei Systemen der Eisfreihaltung ggf. auf die Installation einer Wärmepumpe verzichtet werden (Bolk et al., 2007). Durch einen Kühlbetrieb im Sommer kann die Asphalttemperatur reduziert werden und die anfallende Wärme kann für den Winterbetrieb im Erdreich gespeichert werden.
Während in den frühen Projekten in den USA noch Erdwärmekollektoren eingesetzt wurden (Lund, 2000), werden in neueren Projekten vorranging Erdwärmesonden oder offene Systeme eingesetzt, da diese über eine höhere Effizienz verfügen und / oder als Speicher eingesetzt werden können. In Japan wird darüber hinaus die Shin-Kiyonaga Bridge durch ihre Gründungspfähle (Energiepfahl) eisfrei gehalten (Dupray et al., 2014). Erdwärmesonden als Energiequelle für die Eisfreihaltung wurden sowohl als Koaxialsonden, Doppel-U-Sonden oder als Wärmerohr ausgeführt. Beim ersten erdgekoppelten Projekt in Japan, welches 1995 unter dem Namen „Gaia Snow-Meltig System“ in Betrieb ging, wurde beispielsweise eine Koaxialsonde verwendet (Morita & Tago, 2000). Das Schweizer System „SERSO“ (Sonnen-Energie-Rückgewinnung aus Straßen-Oberflächen) wurde im ersten Piloteinsatz (Autobahnbrücke A8 bei Därlingen) mit einem Erdwärmesondenspeicher betrieben (Würtele et al., 2005).
Auch die erste „Bahnsteigbeheizung“ in Deutschland in Barbis verfügt über einen Erdwärmesondenspeicher. Das „Winnerway“-System wurde von der Firma Arcadis entwickelt und wurde auch in den Niederlanden eingesetzt (Genath, 2011). In Deutschland wurde von der Firma Hering Bau in Zusammenarbeit mit der TU Darmstadt das System QuaWiDis® („qualifiziertes Winterdienstsystem“) entwickelt und in einem Feldversuch auf dem Firmengelände erprobt (Bolk et al., 2007). Hierbei erfolgte ebenfalls die Kopplung des Absorbersystems mit einem Erdwärmesondenfeld (Doppel-U-Sonden), welches als Energiespeicher betrieben wurde. Ähnliche Feldversuche wurden auch in der Türkei mit Verwendung von U-Sonden durchgeführt (Balbay & Esen, 2010). Erste Pilotprojekte mit einem Wärmerohr wurden in den 1970er Jahren in den USA durchgeführt (Yu et al., 2014). In Deutschland (Bald Waldsee) wird seit 2010 eine Feuerwehrzufahrt mit Hilfe einer Erdwärmesonde mit CO2 als Wärmeträgerfluid erfolgreich eisfrei gehalten (Zorn et al., 2012). Das System wird ebenfalls als Speicher betrieben.
Die Verwendung von offenen Systemen in Verbindung mit einer Eisfreihaltung hat ebenfalls ihren Ursprung in den USA und Japan (Lund, 2000). Hier wird das warme Grundwasser direkt zur „Beheizung“ der Fahrbahn genutzt. Auch Systeme in den Niederlanden (Haringvliet) und in Deutschland (Brücke Berkenthin) werden als offene Systeme betrieben. Während in den Niederlanden ein Aquiferspeicher verwendet wird (Würtele et al., 2005), wird in Berkenthin auf einen Schluckbrunnen verzichtet und das „verbrauchte Wasser“ in den Elbe-Kanal geleitet (Mackert, 2011). Das derzeit wohl größte Eisfreihaltungssystem in Kombination mit einem Aquiferspeicher wird seit 2009 auf dem Stockholmer Flughafen betrieben (Hägg & Andersson, 2009).
Die erforderlichen Heizleitungen zur Gewährleistung einer Eisfreiheit liegen je nach klimatischen Bedingungen zwischen 130 W/m² und 600 W/m² je nach äußeren Rahmenbedingungen (Wang & Chen 2009; Lund et al., 2010). Die maßgebenden Faktoren sind hierbei die Schneefallmenge, die Lufttemperatur, die Luftfeuchtigkeit und die Windgeschwindigkeit (Chapman, 1952; Lund, 2000). Aus konstruktiver Sicht kann die Aufheizzeit sowie die eisfreie Zeit vor allem durch den Rohrabstand, die Rohrüberdeckung und die Fluidtemperatur beeinflusst werden (Wang & Chen, 2009). Bei Systemen zur Eisfreihaltung werden analog wie bei anderen thermo-aktiven Bauteilen vor allem Absorberrohre auf PE-Basis mit Durchmessern zwischen 20 mm und 25 mm verwendet. Liegt eine hohe Belastung des Straßenbelags vor (z. B. auf Autobahnen) können auch Stahlrohre verwendet werden, wie beispielsweise bei der A8 in der Schweiz (SERSO-System) erfolgt (Würtele et al., 2005). Die Absorberrohre können entweder spiralförmig oder mäanderförmig (U-Schlaufen) verlegt werden. Der Abstand zwischen den Rohrsträngen liegt üblicherweise zwischen 10 cm und 30 cm (Chiasson, 1999). Prinzipiell ist im Gegensatz zu anderen geothermischen Systemen ein möglichst enger Rohrabstand vorteilhaft, um die Oberfläche flächendeckend eisfrei zu halten (Bolk et al., 2007). Vor allem an den Randbereichen, die oftmals durch eine exponierte Lage gekennzeichnet sind, kann es erforderlich sein, den Rohrabstand zu reduzieren.
Broschüre Geothermal Snow-Melting and De-Icing (Europoean Geothermal Energy Council)
Kürten, S.: Zur thermischen Nutzung des Untergrunds mit flächigen thermo-aktiven Bauteilen, Dissertation, Fakultät für Bauingenieurwesen:
Aachen : Dissertation, Fakultät für Bauingenieurwesen, RWTH Aachen University, 2014.
Weitere Literatur siehe:
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