Das Ende einer Erdölbohrung im Jahr 1983 bedeutete für den Zweckverband für Geowärme Erding den Anfang eines zukunftsweisenden Geothermieprojektes. Die Firma Texaco fand im Jahr 1983 bei einer 2.359 m tiefen Erdölbohrung zwar kein Erdöl, aber 65 Grad Celsius warmes Thermalwasser. Dafür hatte jedoch das Erdölunternehmen keine Verwendung. Im Jahr 1987 bestätigte ein aufwendiger Fördertest des Landesamtes für Wasserwirtschaft die Ergiebigkeit des Thermalwasservorkommens. Auf der Basis der Pumpversuchsergebnisse wurden Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen durchgeführt. Aufgrund der positiven Ergebnisse entschlossen sich Stadt und Landkreis Erding in einer richtungsweisenden Entscheidung für die Übernahme und Nutzung der Bohrung Erding 1.
Name der Anlage | Geothermie Erding |
Standort | Erding |
Eigentümer/ Betreiber | Geowärme Erding |
Nutzungsart | Heizwerk, hydrothermale Dublette |
Jahr der Inbetriebnahme | 1998/2008 |
Leistung thermisch [MWth] | 10,2 |
Leistung elektrisch [MWel] | - |
Bohrungen [m] | 2.240 |
Thermalwassertemperaturen [⁰C] | 65 |
Förderraten [kg/s] | 48 |
Sonstiges | Fernwärme, Balneologie, Wasserversorgung, Ferwärmenetz 3,8 km, 7000 Haushalte angeschlossen |
Da nur eine Förderbohrung vorhanden war, wurde zunächst ein Konzept entwickelt, das nach der thermischen die vollständige stoffliche Nutzung des zutage geförderten Wassers vorsah. Das Thermalwasser sollte nach der Wärmeabgabe an ein Fernwärmenetz zu Thermalbade- und Trinkwasser aufbereitet werden. Dieses innovative Konzept führte dazu, dass das Projekt von der EU aus dem Programm "Thermie" (Demonstrationsprojekt) sowie vom Freistaat Bayern gefördert wurde. Ab Herbst 1992 begann der Aufbau eines Fernwärmenetzes, das in den folgenden Jahren ständig erweitert werden musste. Aufgrund der hohen Akzeptanz und stetigen Nachfrage wurde bereits 2004 mit Planungen für eine Projekterweiterung begonnen. Da es ohne Rückführung des thermisch genutzten Wassers in den Entnahmehorizont (Reinjektion) genehmigungsrechtlich unmöglich war, die Fördermenge zu erhöhen, wurde die Niederbringung einer zweiten Bohrung zwingend erforderlich (Geothermische Dublette).
Da die Bohrung Erding 1 von der Firma Texaco ursprünglich als Explorationsbohrung für Erdöl und Erdgas niedergebracht wurde, musste sie so für eine Thermalwasserförderung umgebaut werden, dass eine Unterwassermotorpumpe bei 230 m Tiefe eingebaut werden konnte. Erst dadurch wurde eine Förderung des Thermalwassers aus einer ca. 500 m mächtigen Schicht (Malm/ Oberjura) ermöglicht.
1998 ging die Bohrung mit einer speziell dafür entwickelten Unterwassermotorpumpe in Betrieb. So musste hier wegen der geplanten Trink- und Heilwassernutzung die Unterwasserpumpe mit wassergekühlten Unterwassermotoren bestückt werden. Bei Bohrungen ohne Trinkwassernutzung können die üblichen ölgekühlten eingesetzt werden. Im Zuge der geplanten Erweiterung des Fernwärmenetzes und der damit verbundenen Erhöhung der Fördermenge aus der Bohrung Erding 1, mussten die Möglichkeiten für eine Reinjektionsbohrung untersucht werden. Geotec Consult führte diese geologischen Erkundungen durch.
Die Reinjektionsbohrung Erding 2 sollte weit genug entfernt von der Förderbohrung Erding 1 platziert werden, damit ein thermischer Kurzschluss zwischen den Bohrungen ausgeschlossen werden konnte. Außerdem sollte die neue Bohrung möglichst dicht beim zweiten Heizwerk liegen. Mittels existierender Seismikuntersuchungen konnte im Untergrund eine Struktur gefunden werden, die zum einen vielversprechend und zum anderen vom Standort des geplanten zweiten Heizwerkes mit einer abgelenkten Bohrung erreichbar war.
In den meisten Geothermieanlagen wird das Thermalwasser als reiner Energielieferant genutzt und anschließend über eine zweite Bohrung als kaltes Wasser wieder in den Entnahmehorizont zurückgeführt - das ist gesetzlich so festgelegt. Da zu Projektbeginn keine zweite Bohrung zur Zurückführung des kalten Wassers zur Verfügung stand, entschied sich der Zweckverband, das kalte Thermalwasser einer weiteren Nutzung zuzuführen. Die Investitionen für die dazu nötige Aufbereitungstechnik waren wesentlich geringer als die für eine zweite Bohrung. Zudem konnten mit aufbereitetem Thermalwasser zusätzliche Erträge erwirtschaftet werden.
Mit dem von der Unternehmensgruppe WUND errichteten und betriebenen Thermalbad wurde ein geeigneter Großabnehmer für das zur Verfügung stehende Thermalwasser gefunden. WUND plante, finanzierte und betreibt heute auf einer 132.000 Quadratmeter großen Fläche die THERME ERDING, die den Freizeit- und Naherholungswert von Erding extrem steigert.
Thermalwasser, welches nicht in der THERME ERDING genutzt werden konnte, wurde bis 2011 durch den Zweckverband Geowärme als Trinkwasser aufbereitet und an die Wasserversorgung Erding geliefert. Neben dem Thermeninvestor als Großabnehmer von Thermalwasser war für diese besondere Nutzung ein technisch, kompetenter Partner notwendig. Diesen hat der Zweckverband im Ingenieurbüro Gregor Mauerer gefunden. Seit 1993 plant und betreibt das Büro die gesamte Thermalwasseraufbereitungsanlage im Heizwerk 1 und hat damit ein Projekt mitinitiiert, das in Deutschland einmalig ist!
Zur balneologischen Nachnutzung ist ein mehrstufiges Aufbereitungsverfahren notwendig, in dem das auf 20 Grad Celsius erwärmte Thermalwasser zu Trinkwasser aufbereitet wird. In allen Aufbereitungsstufen wird dabei mit unterschiedlichen Verfahren dem Thermalwasser letztlich nur Sauerstoff zugeführt.
Im ersten Aufbereitungsschritt werden dem Thermalwasser Ozon und Wasserstoffperoxid zugegeben. Beide Stoffe zerfallen zu Sauerstoff bzw. zu Wasser und Sauerstoff. Der im Thermalwasser entstehende und sehr "reaktionsfreudige" Sauerstoff reagiert mit den Inhaltsstoffen des Thermalwassers. Der Schwefelwasserstoff, der dem Thermalwasser seinen typischen Geruch "nach faulen Eiern" verleiht, wird dabei zu Sulfat, umgangssprachlich "Gips" oxidiert.
In der zweiten Stufe der Aufbereitung wird das Wasser in einem Stripper verrieselt. Dabei wird ein großer Luftstrom in das herabrieselnde Wasser eingeblasen. Das Thermalwasser wird dabei von Gasresten von Schwefelwasserstoff und Methan befreit. Das so vorbehandelte Wasser wird jetzt in einen Zwischenbehälter gefördert und dort gespeichert. Aus dem Zwischenbehälter wird das Wasser dann einer zweistufigen erneuten Ozonierung und Filtration über verschiedene Filterkohlen und Filtersande zugeführt.
In diesem Aufbereitungsschritt werden insbesondere gelöste Wasserinhaltsstoffe wie Eisen, Mangan und Ammonium oxidiert und mittels Filtration aus dem Thermalwasser entfernt. Das so aufbereitete Thermalwasser hat nun eine Qualität, die weitgehend der Trinkwasserverordnung entspricht. Es wird als Bade- und Duschwasser an die THERME ERDING geliefert.
Bis 2011 wurde das aufbereitete Thermalwasser nach einer zusätzlichen Sicherheitsstufe, einer Ultrafiltration, erfolgreich in das Trinkwassernetz der Stadt Erding eingespeist. Diese Nutzung wurde zwischenzeitlich eingestellt, um den steigenden Thermalwasserbedarf der Therme decken zu können. Die Entwicklung der Aufbereitungstechnik erfolgte in Zusammenarbeit des Zweckverbands für Geowärme Erding mit dem Ingenieurbüro Mauerer, der Firma Hydroelektrik und zeitweise dem Technologiezentrum Wasser der Uni Karlsruhe. Die verfahrenstechnische Anlage zur Trinkwassererstellung wurde von der Ravensburger HydroGroup / Hydro-Elektrik GmbH gebaut. Der Systemanbieter im Bereich Wasseraufbereitung und Wasserversorgung ist bekannt für qualitativ hochwertige Anlagen und Systeme.
Mit der erreichten Wasserqualität und der Jahresmenge von 300.000 Kubikmetern entspricht die Thermalwasseraufbereitungsanlage des Zweckverbands einem kommunalen Wasserwerk für etwa 4.000 Einwohner.
Das Geothermieprojekt Erding förderte ab der Inbetriebnahme im Jahr 1998 aus der Bohrung Erding 1 bis zu 24 kg/sec. Damit wurde der Wärmebedarf des Fernwärmenetzes sowie der Thermalwasserbedarf der Therme Erding gedeckt. Durch die stoffliche Nutzung des gesamten geförderten Thermalwassers konnte auf eine Rückführung des entwärmten Thermalwassers verzichtet werden.
Aufgrund dieser starken Nachfrage nach einer geothermischen Fernwärmeversorgung erweiterte der Zweckverband Geowärme Erding im Jahr 2006 gemeinsam mit der STEAG New Energies GmbH das Erdwärmeprojekt und errichtete ein zweites Geothermieheizwerk. Um auch die Thermalwasserförderung von bisher 24 kg/sec. auf 48 kg/sec. erhöhen zu können, war die Niederbringung einer zweiten Tiefbohrung notwendig. In dieser wird das thermisch genutzte, aber stofflich nicht weiter verwertbare Thermalwasser wieder in den Untergrund zurückgeführt.
Ergebnis: Eine effektive, umweltschonende Nutzung der Energiequelle "Geowärme". Die beiden Heizwerke erreichen im Endausbau einen Gesamtanschlusswert von 63 Megawatt – das entspricht 15 % des Erdinger Wärmebedarfs. Dieser Fernwärmeanschlusswert entspricht einer Brennstoffmenge von 7.000.000 Litern Heizöl, deren Verbrennung und Verbrauch in Erding vermieden wird. Darüber hinaus werden rund 11.000 Tonnen CO2-Emissionen kompensiert. Das Geowärmeprojekt Erding: Ein Projekt mit Zukunft für die Zukunft!
Der Zweckverband Geowärme Erding hat in einer Studie die Luftverbesserung durch die Tiefengeothermie in Erding untersuchen lassen und kommt zum Ergebnis, dass die Geowärme Erding einen merklichen Beitrag zur Luftverbesserung in Erding leistet. Die Fernwärmeversorgung führt zu einer Verringerung der Schadstoffbelastung und unterstützt die globalen Bemühungen, durch eine Reduzierung der Treibhausgas-Emissionen die Klimaerwärmung zu stoppen oder zumindest zu verlangsamen. Der vor fast 30 Jahren eingeschlagene Weg stellt sich aus umwelttechnischen Gesichtspunkten im Nachhinein als weitsichtig und richtig heraus.
Zu der sehr umfangreichen Literatur siehe unter Literaturdatenbank und/oder Konferenzdatenbank unter dem Stichwort 'Erding'.
http://www.geowaerme-erding.de/geothermie.php
zuletzt bearbeitet April 2022, Änderungs- oder Ergänzungswünsche bitte an info@geothermie.de