Die Quantifizierung des Fündigkeitsrisikos bzw. Abschätzung der Erfolgswahrscheinlichkeit von Geothermiebohrungen ist ein entscheidender Faktor für Investoren und Entscheidungsträger.
Entsprechende POS (Probability of Success) -Studien wurden in den vergangenen Jahren insbesondere für Projekte im Molassebecken durchgeführt (z.B. Schulz et al. 2003, Schulz 2004), welche den Oberjura (Malm) als Grundwasserleiter erschließen sollten. Dabei wurden die Parameter Temperatur und Förderrate (bei einer vorgegebenen maximalen Absenkung des Wasserspiegels) bewertet.
Mathematische Modelle mit unsicheren (fehlerbehafteten, zufälligen) Eingangsparametern können durch Zufallsexperimente statistisch beschrieben werden. Die möglichen Versuchsausgänge/ Elementarereignisse bei einem idealen Würfel sind dabei z.B., dass entweder eine 1, 2, 3, 4, 5 oder 6 gewürfelt wird.
Die Menge aller Elementarereignisse ist der Ereignisraum E (1, 2, 3, 4, 5, 6), ein Elementarereignis A ist immer eine Teilmenge dieses Ereignisraumes E. Ein Maß für die Sicherheit/Unsicherheit des Eintretens eines bestimmten Ereignisses A ist die Wahrscheinlichkeit P(A) (P – „Probability“). Die Wahrscheinlichkeit für das Eintreten eines Ereignisses A ist immer eine reelle Zahl, für die gilt:
0 ≤ P(A) ≤ 1
Die zwei Extremfälle sind: P(A) = 1, A tritt mit Sicherheit ein; P(A) = 0, A tritt mit Sicherheit nicht ein. Je größer die Wahrscheinlichkeit P(A), umso „eher" ist anzunehmen, dass das Ereignis A eintritt. Der Versuch muss jedoch n mal wiederholt werden. Wenn wir ein Zufallsexperiment in identischer Weise n mal durchführen und dabei genau m mal das Ereignis A eintritt, so nennen wir den Quotienten:
h(A) = m/n
die relative Häufigkeit, mit der das Ereignis A eingetreten ist. Die Wahrscheinlichkeit eines Ereignisses ist die für eine gegen unendlich strebende Anzahl n von Durchführungen des betreffenden Zufallsexperiments vorausgesagte relative Häufigkeit seines Eintretens. Die Summe aller Versuchsausgänge eines Zufallsexperiments in der Form A1, A2, A3, ...ist durch
P(A1) + P(A2) + P(A3) + ... = 1
definiert. Ein Problem bei der Einschätzung von Unsicherheiten in Bezug auf die Eintrittswahrscheinlichkeit hat mit der Art der statistischen Verteilung der Daten zu tun (vgl. LercheE & Mackay 1999). Am verbreitetsten sind in der Geologie/Geothermie die (Gauß‘sche) Normal- bzw. Log-Normalverteilung, ebenfalls von größerer Bedeutung ist die exponentielle Verteilung.
Zu Beginn einer Explorationsphase sind die geologischen Unsicherheiten sehr hoch und von subjektiven qualitativen Einschätzungen, wie „geringe Unsicherheiten“, „hohe Wahrscheinlichkeit“ etc., geprägt.
Bezüglich der Wahrscheinlichkeiten zur Auffindung von Kohlenwasserstoffen (KW), auch als geologische Erfolgswahrscheinlichkeit bezeichnet, haben Lerche & Mackay (1999), basierend auf den Arbeiten von Rosee (1987), eine Konvertierung von qualitativen Einschätzungen mit einer Angabe von Bereichen für die POS (quantitativ) vorgestellt.
Die Skala reicht von hohem Risiko über 50/50-Chance bis hin zu „scheinbar sicher“ und umfasst die Bereiche Reservoir, Struktur, KW-Bildungspotential und geeignete Fallenstruktur. Die Erfolgswahrscheinlichkeit für die Exploration einer KW-Lagerstätte lässt sich, da die einzelnen Wahrscheinlichkeiten voneinander unabhängig sind, durch die Multiplikation der Einzelwahrscheinlichkeiten ermitteln (MALVIC 2009).
Die Vorgehensweise aus der KW-Industrie kann man auch auf die Geothermie übertragen. Die geologische Erfolgswahrscheinlichkeit setzt sich dann aus 4 Einzelwahrscheinlichkeiten zusammen:
Die geologische Erfolgswahrscheinlichkeit ist das Produkt dieser 4 Einzelwahrscheinlichkeiten. Allerdings ist die so definierte geologische Erfolgswahrscheinlichkeit nur eine pseudo-quantitative Größe, da die Einzelwahrscheinlichkeiten qualitativ bewertet, grob in Klassen eingeteilt und dann mehr oder weniger mit einem Wert zwischen und 0 und 1 belegt werden. Unterschiedliche Expertengruppen werden zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen.
Die geologische Erfolgswahrscheinlichkeit kann nur zur groben Einteilung und Vergleichbarkeit von größeren Explorationsgebieten genutzt werden. Zur konkreten Einschätzung des Erfolges für eine Geothermiebohrung eignet sie sich nicht.
Seit Anfang des 21. Jhdt. wurden in Deutschland quantitative POS-Studien für Geothermiebohrungen durchgeführt. Sie beruhen auf dem Begriff des Fündigkeitsrisikos:
"Das Fündigkeitsrisiko bei geothermischen Bohrungen ist das Risiko, ein geothermisches Reservoir mit einer (oder mehreren) Bohrung(en) in nicht ausreichender Quantität oder Qualität zu erschließen".
Diese Definition entspricht dem international üblichen Begriff des „exploration risk“ (UNEP 2004).
Die Quantität wird über die (thermische) Leistung definiert, die mit Hilfe einer Bohrung (oder mehrerer Bohrungen) erreicht werden kann:
P = ρF · cF · Q · (Ti - To)
mit
P Leistung [W]
ρF Dichte des Fluides [kg m-³]
cF (isobare) spezifische Wärmekapazität [J kg-1 K-1]
Q Volumenstrom, Förderrate [m³ s-1]
Ti, To (Input- bzw. Output-) Temperatur [°C].
Unter Qualität in der Definition versteht man im Wesentlichen die Zusammensetzung (Chemismus) des Fluides (s.o.). Bisher wurden in Deutschland alle angetroffenen Wässer als beherrschbar angesehen.
Ab welchem Wert die Quantität (und Qualität) nicht ausreichend (ökonomisch nicht akzeptabel) ist, wird durch den Projektentwickler / Investor festgelegt; hierbei spielen vor allem betriebswirtschaftliche Überlegungen eine Rolle.
Es gibt also keine absoluten Werte für die Fündigkeit einer Geothermiebohrung. Vom Projektentwickler muss vorgegeben werden, unter welchen Bedingungen eine Geothermiebohrung in dem konkreten Projekt als fündig anzusehen ist.
Die Bohrung gilt als (teil-)fündig,
Zur Berechnung der POS werden die Informationen aus Bohrungen dem näheren oder weiteren Umfeld des Explorationsstandortes herangezogen, die den gleichen Aquifer erschlossen und/oder eine entsprechende Tiefe erreicht haben. Als POS wird dabei definiert:
POS = Σ Wi Ai / Σ Wi
Mit
Wi Wichtungsfaktor
Ai = 1 - erfolgreich, 0 - nicht erfolgreich (bezogen auf die konkreten Parameter).
Als Wichtungsfaktoren können die Entfernung der vorhandenen Bohrungen zum Explorationsstandort, die Nutzungsart der Bohrung oder bestimmte erschlossenen geologische Strukturen verwendet werden.
Die Erfolgswahrscheinlichkeit wird jeweils für Schüttung und Temperatur getrennt berechnet, die Erfolgswahrscheinlichkeit für die Bohrung ist dann das Produkt beider Einzel-Wahrscheinlichkeiten.
Diese Berechnungsart hat sich als zielführend erwiesen, wenn nur eine geringe Anzahl (< 50) von geeigneten Bohrungen zur Verfügung steht. Bei hinreichend großer statistischer Grundlage, z. B. bei einem Porenaquifer mit genügend Permeabilitätsdaten, lässt sich die Gesamtwahrscheinlichkeit für die thermisch Leistung mittels Monte-Carlo-Verfahren ermitteln.
https://www.youtube.com/watch?v=iKvB5HGeYUI&t=920s
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Wolfgramm,Markus, Ingmar Budach, Kerstin Nowak, Jens Zimmermann: Bewertung des Fündigkeitsrisikos bei geothermischen Bohrungen im Norddeutschen Becken. In: DGK (2017).
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