Die Beurteilung des geothermischen Potenzials basiert auf dem im Untergrund gespeicherten Wärmeinhalt (Quantity in place). Dies entspricht dem Vorgehen bei den nicht regenerierbaren Energierohstoffen (Erdöl, Erdgas usw.). Dort schätzt man ebenfalls die im Untergrund vorhandenen Vorräte des jeweiligen Energieträgers ab und klassifiziert diese als Ressourcen (technisch gewinnbar) oder Reserven (wirtschaftlich gewinnbar). Diese Definitionen lassen sich analog auf die geothermischen Energiepotenziale übertragen.
Über die Abschätzung von Ressourcen und Reserven wird in standardisierter Form (australischer oder kanadischer Code) berichtet. Seit 2017 liegt ein globaler code: UNFC 2009 für das 'reporting' von Geothermiepotenzialen vor. In diesen Vorschriften wird die Vorgehensweise bei der Berichterstattung beschrieben und mit zahlreichen Beispielen erläutert. Dies gilt sowohl für die Potenziale einzelner Anlagen als auch für die ganzer Regionen oder Länder. Die Gewinnung von Angaben über die Potenziale werden hier nicht behandelt, es geht lediglich um das 'reporting'.
Unter Ressourcen wird der Anteil des zugänglichen Energievorrats verstanden, der sich beim gegenwärtigen Stand der Technik dem Untergrund entnehmen lässt und möglicherweise auch eine (zukünftige) wirtschaftliche Nutzung erwarten lässt.
Unter Reserven wird der Anteil der Ressourcen verstanden, der beim gegenwärtigen Preisniveau genutzt werden kann. Die Abschätzung der Reserven unterliegt stark marktabhängigen zeitlichen Schwankungen, da die Wirtschaftlichkeit für die geothermische Energienutzung durch hohe Investitionskosten bei relativ geringen Betriebskosten geprägt wird. Den Hauptteil der Investitionen tragen die Bohrkosten einschließlich des Bohrlochausbaus. Damit hängt die Wirtschaftlichkeit stark vom anzusetzenden Zinssatz und der Amortisationsdauer ab, aber auch von Kosten und Verfügbarkeit von Bohrmannschaften sowie von Stahlpreisen.
Der in dem TAB-Bericht3 über die Möglichkeiten der geothermischen Stromerzeugung verwendete Begriff „technisches Potenzial“ entspricht in etwa dem Begriff Ressource.
Bei dieser Methode wird primär die in der Lagerstätte vorhanden Wärmemenge bestimmt. Hierzu werden Volumen, Dichte und Wärmekapazität des Reservoirs benötigt.Ist diese 'Betrachtungsvolumen' inhomogen kann es in mehr oder weniger viele Teilvolumen aufgeteilt werden, deren Poteziale dann letzendlich zu addieren sind. Es ist zudem eine Bezugstemperatur zu wählen, dies kann entweder die mittlere Umgebungstemperatur (ambient temperature) oder etwa die Rücklauftemperatur eines Wärmenetzes sein. In der Literatur werden hier die unterschiedlichsten Bezugstemperaturen verwendet, etwa 65 ºC, 35 ºC oder 20 ºC. Dies führt natürlich dann zu sehr unterschiedlichen Ergebnissen, die nicht untereinander verglichen werden dürfen. Um vom Wärmeinhalt zu einer Leistung /Volumeneinheit zu kommen wird durch einen recovery factor bestimmt, welcher Anteil des Wärmeinhalts letztlich langfristig entnommen werden kann. Hier können die Abschätzungen oder Annahmen weit auseinander liegen. Unter Annahme einer Laufzeit (etwa 30 Jahre) für typische Nutzungen kann so die potenzielle Leistung /Volumeneinheit Jahr abgeschätzt werden. Bei einem recovery factor von 15% und einer Nutzung von 30 Jahren wäre die potenzielle Entzugsleistung also 0,5% des Wärmeinhalts einer Volumeneinheit.
Gelegentlich wurde die volumetrische Methode durch Abschäzungen der volumenbezogenen Fluidbweglichkeit nach einem Darcy-Ansatz ergänzt. Hierzu sind aber rel. viele Parameter des Reservoirs nötig, die häufig im frühen Stadium eine Potezialabschätzung noch nicht vorliegen.
Bei der Bewirtschaftungsmethode zur Potenzialabschätzung wird eine standardisierte Bewirtschaftung der Lagerstätte zugrundegelegt. Hierzu können ein oder mehrere Standard-Bewirtschaftungeselemene, etwa Dubletten mit bestimmten Parametern vorgegeben werden, die mit den Reservoireigenschaften kompatibel ist. Die potentielle Gesamtleistung des Reservoirs ergibt sich nun daraus, wie viele dieser Standardubletten im Reservoir realisiert werden können. Hierzu kann der Platzbedarf für eine Dublette beispielsweise zu 4 km2 festgelegt werden. Diese werden dazu meist in einem regelmäßigen Raster mit vorgegeben großen Elementen (beispielsweise einer 4-oder 6-Eck Parkettierung) angeordnet. Hier können dann auch Bedarfsverteilungen mit einbezogen (verschnitten) werden. Bei der Abschätzung nach Bewirtschaftungsmethoden können Ausschlussgebiete wie Natur- oder Wasserschutzgebiete berücksichtigt werden. Es ist dabei zu beachten, ob derartige Gebiete unterbohrt werden dürfen, was von Land zu Land unterschiedlich gehandhabt wird.
In NRW hat das LANUV z.B. die Gesamtfläche in 3x3 km Quadrate aufgeteilt und dann für jedes Quadrat die leitungsfähigste Dublette (Kohlenkalk, Massenkalk oder Kreide) berücksichtigt. Dies ist dann eine eher konservative Methode da man ja auch hätte die Summe der Möglichkeizten nehmen können.
Gelegenlich wird auch eine Bilanzierungsmehode vorgeschlagen, die letztlich auf der Forderung von Nachhaltigkeit beruht. Es wird abgeschätz wie viel Wärmeenergie einem Betrachtungsvolumen in der Zeiteinheit zufließt (Eintragsleistung). Als Folge der geforderten Nachhaltigkeit kann also maximal auch nur diese Leistung entnommen werden. Zuflüsse können konduktiv oder konvektiv sein oder aus Wärmeproduktion innerhalb des Betrachtungvolumens stammen. Für diese Art der Abschätzung sind recht genaue Kenntnisse der Gesteinseigenschaften und der sonstigen geologischen Bedingungen in und um das Betrachtungsvolumen notwendig.
Inbesondere bei der Abschätzung der Potenziale zur Wärme/ Kälteversorgung werden die Potenziale häufig mit Abschätzungen der Bedarfe, also regionalen Bedarfsverteilungen verschnitten. Bei den Abschätzungen der Potenziale fallen dann also Potenziale heraus, an denen in brauchbare Nähe kein Bedarf besteht. Bei den heute möglichen Methoden der Wärmeverteilung kann dies durchaus einen Bereich bis zu 50 km einschließen. Meist wird bei diesem Verschneiden so vorgegangen, dass, falls der Bedarf in einer bearbeiteten Fläche kleiner ist als das Potenzial,das Potenzial durch den Bedarf ersetzt wird. Grundsätzlich führen so natürlich Potenzialabschätzungen die Bedarfe berücksichtigen zu kleineren Ergebnissen.
Potenziale weren heute meist GIS-basiert erarbeitet und bearbeitet. Die Eingangsinformationen, wie Temperaturverteilungen oder Bedarfsverteilungen liegen ohnehin meist GIS-basiert vor.
Werden die Potenziale für ein bestimmtes Gebiet (z.B. Bayern) angegeben ist die SI-Einheit Watt (W) oder dezimale Vielfache davon wie MW oder GW. Manche Autoren bevorzugen andere Einheiten, wie MWh/a. Wird das Potenzial in räumlicher Verteilung angegeben, also auf Flächen bezogen ist die SI-Einheit W m-2 oder dezimale Vielfache davon wie MW m-2 oder GW km-2 . Auch hier werden von verschiedenen Autoren andere Einheiten bevorzugt, wie MWh/km2 a. Wegen der Vielfalt der Möglichkeiten wird empfohlen, wenn möglich SI-Einheiten zu verwenden.
Neben dem allgemeinen Begriff Potenzial werden eine Vielzahl anderer Begriffe verwendet wohl mit der Absicht, die genannten Zahlen genauer zu beschreiben. Neben den Begriffen
und
nutzen Autoren nach Belieben Begriffe, die sie selbst vorschlagen und teilweise unzureichend definieren. Beispiel sind
Sandrock et al.1 ordnen die von ihnen verwendeten Poteziale wie folgt:
- Technisches Angebotspotenzial
- Technisches Nachfragepotenzial
- Technisches Bereitstellungspotenzial
Es ist allerdings anzumerken, dass die von Sandrock gewählte Einteilung nur eine von vielen möglichen ist, die man in großer Zahl in der Literatur findet:
Das theoretische Potenzial beschreibt das innerhalb einer gegebenen Region zu einem bestimmten Zeitpunkt bzw. innerhalb eines bestimmten Zeitraumes theoretisch physikalisch nutzbare Energieangebot (Kayser und Kaltschmitt 19982). In der Geothermie beschreibt das theo-retische Angebotspotenzial die in den Nutzhorizonten gespeicherte Wärmemenge (Kock und Kaltschmitt 2012). Dabei ist nicht von Bedeutung, ob tatsächlich geeignete technische Methoden zur Nutz-barmachung existieren. Ebenso werden ökologische, strukturelle und administrative Beschränkun-gen nicht berücksichtigt. Das theoretische Potenzial ist daher deutlich größer als die real nutzbare Energiemenge. Ihm kommt daher zur Bewertung der tatsächlichen Nutzbarkeit keine praktische Relevanz zu.
Das technische Potenzial beschreibt den Anteil des theoretischen Potenzials, der unter Berücksichtigung der derzeitigen technischen Rahmenbedingungen nutzbar gemacht werden könnte. Zusätzlich werden meist strukturelle, ökologische und gesetzliche Vorgaben (z.B. Nutzungsrestriktionen in Nationalparks) berücksichtigt, da sie ähnlich den technischen Einschränkungen als „unüberwindbar“ angesehen werden können (Paschen et al., 20033). Wirtschaftliche oder sozioökonomische Einschränkungen werden nicht berücksichtigt.
Bei den technischen Potenzialen kann zwischen dem technischen Angebotspotenzial und dem technischen Nachfragepotenzial unterschieden werden. Diese Unterscheidung ist immer dann erforderlich, wenn das Energieangebot die potenzielle Energienachfrage übersteigt.
Das technische Angebotspotenzial, auch Erzeugungspotenzial genannt, beschreibt dabei die bereitstellbare Energie unter Berücksichtigung von technischen, strukturellen und gesetzlichen Restrik-tionen. Beim technischen Nachfragepotenzial, auch Endenergiepotenzial genannt, handelt es sich hingegen um den Anteil des Angebotspotenzials, der auch von den Verbrauchern potenziell genutzt werden kann. Damit müssen hier zusätzlich nachfrageseitige Restriktionen sowie Speicher- und Verteilverluste betrachtet werden.
Unter dem wirtschaftlichen Potenzial wird der Anteil des technischen Potenzials verstanden, der im Kontext der gegebenen energiewirtschaftlichen Rahmenbedingungen wirtschaftlich genutzt werden kann , bzw. der Anteil des technischen Potenzials, der genutzt werden würde, wenn alle wirtschaftlich konkurrenzfähigen Anteile des technischen Potenzials ausgeschöpft würden.
Neben den Faktoren, die auch das technische Potenzial beeinflussen, wird das wirtschaftliche Potenzial sehr stark von den konventionellen Vergleichssystemen und den jeweiligen Energieträgerpreisen beeinflusst sowie im Falle geothermischer Wärmeprojekte von den Wärmegestehungskosten, die vor allem durch die Bohrkosten, die erreichbare Fördermenge und die Reservoirtemperatur beeinflusst werden. Die Bohrkosten als einer der wesentlichen Kostenfaktoren tiefengeothermischer Wärmeprojekte nehmen dabei mit der Tiefe überproportional zu.
Das wirtschaftliche Potenzial der tiefengeothermischen Wärmenutzung ist also auf ein gewisses Tiefenniveau begrenzt. Des Weiteren hat auch der Bohr- und Ausbaudurchmesser einen Einfluss auf die Bohrkosten, da nicht nur größere Endteufen sondern auch größere Durchmesser größere Bohranla-gen erfordern. Maßgebend für den Bohrenddurchmesser ist dabei die geplante Nutzungsform. So erfordern hohe Fließraten, wie sie insbesondere für eine Stromerzeugung erforderlich sind, zumeist größere Durchmesser als reine Wärmeprojekte.
Die Norm UNFC 20094 vermeidet es komplett, derartige Begriffe zu definieren und zu nutzen. Stattdessen wird ein aus 3 Ziffern bestehender Code verwendet (E,F,G-Code), um genauer zu beschreiben, um was für ein Potenzial es sich handelt. Hier spielen dann auch die Unsicherheiten (uncertainties) der zugrundeliegenden Annahmen eine Rolle, die bei anderen Potenzialabschätzungen oft nicht angegeben werden. Dass diese Codierung dieselbe ist wie für andere Erneuerbare Energien, für fossile Energierohstoffe und für andere Bodenschätze ist ein zusätzlicher bedeutender Vorteil der UNFC 2009. Andererseits sind die Angaben nach UNFC 2009 wenig selbsterklärend und man kann die Angaben nur verstehen, nachdem man mehrere (3) UNFC Dokumente durchgearbeitet und sich mit der Systematik vertraut gemacht hat. Als Folge hat die UNFC 2009 für Geothermie noch nicht die ursprünglich angedachte Verbreitung gefunden.
Zur Abschätzung des Stromerzeugungspotenzials müssen die thermischen Potenziale mit dem Kraftwerkswirkungsgrad multipliziert werden. Die Stromerzeugungspotenziale werden in der Regel nur 10 - 12% des Wärmepotenzials sein.
1 Sandrock, M., Maaß, C., Weisleder, S., Westholm, H., Schulz, W., Löschan, G., Baisch, C., Kreuter, H., Reyer, D., Mangold, D., Riegger, M., Köhler, C. (2020): Kommunaler Klimaschutz durch Verbesserung der Effizienz in der Fernwärmeversorgung mittels Nutzung von Niedertemperaturwärmequellen am Beispiel tiefengeothermischer Ressourcen. Abschlussbericht, Climate Change 31/2020, 357 Seiten, www.uba.de
2 Kayser M., Kaltschmitt M. (1998): Potenziale hydrothermaler Erdwärme in Deutschland. Institut für Energiewirtschaft und Rationelle Energieanwendungen. Universität Stuttgart. Stuttgart.
3 Paschen, H., Oertel, D., Grünwald, R. (2003): Möglichkeiten geothermischer Stromerzeugung in Deutschland. Büro für Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen Bundestag, Arbeitsbericht 84. Berlin.
4 UNECE – United Nations Economic Commission for Europe (2016): Specifications for the Application of the United Nations Framework Classification for Fossil Energy and Mineral Reserves and Resources 2009 (UNFC-2009) to Geothermal Energy Resources. United Nations, Geneva, Switzerland.
Haenel, R. & Staroste, E. (Eds.) (1988): Atlas of Geothermal Resources in the European Community, Austria and Switzerland. – Publ. No. EUR 17811 of the European Commission, Office of Official Publications of the European Communities, 92 pp.; Luxembourg.
Agemar, T.; Weber, J.; Moeck, I.S. Assessment and Public Reporting of Geothermal Resources in Germany: Review and Outlook. Energies 2018, 11, 332. https://doi.org/10.3390/en11020332
Keim, Maximilian: Bewertung Masterplan Geothermie, Wissenstransfer, GAB, 2022
Moeck, I., Metastudie zur nationalen Erdwärmestrategie, Ersatz fossiler Brennstoffe im Bereich Raumwärme und Warmwasser durch Geothermie als unverzichtbarer Bestandteil im Energiesektor Ökowärme bis 2045
Siala, Kais, Anahi Molar-Cruz: Probabilistic GIS-based technical potential assessment of hydrothermal energy in Bavaria, Der Geothermiekongress, 2017
https://www.youtube.com/watch?v=blzyZj4OWxY
https://projectinnerspace.org/
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