Induzierte Seismizität ist eine besondere Art von Seismizität, wobei 'induziert’ (oder 'getriggert’) bedeutet, dass die Ereignisse durch bestimmte Vorgänge (meist anthropogener Natur) ausgelöst oder getriggert wurden. Mit Ausnahme des tiefen Bergbaus, bei dem große Mengen an Gestein aus dem Untergrund gewonnen werden, führen die auslösenden Vorgänge in der Regel dem System Erde nicht genügend Energie zu, um ein nennenswertes seismische Ereignis mit Energie zu versorgen. Das Ereignis bezieht seine Energie, wie bei natürlichen Ereignissen, aus dem Spannungsfeld der Erde.
Der Mechanismus des 'Induzierens’ besteht also im Wesentlichen darin, einen bereits kurz vorm Bruch stehenden Bereich im Untergrund (ready to go) so zu stören, dass er bricht. Unter Umständen kann damit, dass ein natürliches Ereignis zeitlich vorgezogen wird, das Spannungsfeld (zumindest geringfügig) umgestaltet werden. Neben dem zeitlichen Ablauf kann auch die statistische Verteilung der Ereignisstärken beeinflusst werden (beispielsweise viele kleine statt wenigen großen).
Induziert werden können seismische Ereignisse durch ein Vielzahl unterschiedlicher Eingriffe in den Untergrund wie:
In der Bandbreite der Stärken seismischer (natürlicher und induzierter) Ereignisse sind die induzierten Ereignisse meist weniger stark und erreichen nicht die Stärken natürlicher Ereignisse. Dies liegt unter Anderem daran, dass sie in vergleichsweise geringen Tiefen auftreten, wo die im Spannungsfeld gespeicherte Energie oder auch der zur Verfügung stehende Raum nicht zur Erzeugung großräumiger Bruchvorgänge ausreicht. Die überwiegende Mehrzahl induzierter Ereignisse wird nur von Geräten aufgezeichnet und nicht gespürt. Sie haben oft kleine oder gar negative Magnituden (Lokale Magnitude nach Richter, ML) und übersteigen selten die Magnituden 2 oder 3, also Magnituden, die in der natürlichen Seismizität Alltag ist.
Geomechanisch stellt sich nun die Frage, wie eine derartige Induzierung vonstatten gehen kann. In einem kompakten Gesteinskörper wird ein Scherbruch dann entstehen, wenn die Scherspannungen die Scherfestigkeit des Gesteins übersteigen. Wachsen diese Scherspannungen nun (z. B. durch Plattentektonik) stetig an, wird dieser Zustand eines Tages eintreten. In einem bereits zerbrochenen Gesteinkörper (post failure) werden Scherbewegungen meist auf vorab vorhandenen Klüften stattfinden. Hier setzt die Bewegung dann ein, wenn die Scherspannungen die (Haft-)Reibungskräfte längs des Risses überschreiten (Störungsreaktivierung). Da es also um den relativen Betrag zweier Größen geht, kann Induktion, also eine Bruchauslösung, durch Änderung einer dieser beiden Größen erfolgen:
Durch Einpressen von Wasser in Bohrungen wird sich das Spannungsfeld kaum ändern, dazu sind die eingebrachten Energien zu klein. Durch Druck und Temperatur beeinflussen sie das Reaktivierungspotenzial. Eine Aufweitung der Risse, infolge der Verminderung der Normalspannung durch den Porendruck, kann die Verzahnung durch die Rauhigkeit der Risswände jedoch weitgehend aufheben und so die Haftreibung stark reduzieren. Rissöffnung kann auch durch eine langfristige Abkühlung und somit Schrumpfung eines Gesteisnvolumens bewirkt werden.
Die größten induzierten Ereignisse waren nach G. Grünthal und W. Minkley (2005):
Datum | Ort oder Gegend | ML | I0 | Aktivität |
---|---|---|---|---|
24.05.1940 | Krügerschall (Saale-Revier) | 4,9 | VII | Kalibergbau |
22.02.1953 | Heringen (Werra-Revier) | 5,0 | VII-VIII | Kalibergbau |
08.07.1958 | Merkers (Werra-Revier) | 4,7 | VII | Kalibergbau |
23.06.1975 | Sünna (Werra-Revier) | 5,2 | VIII | Kalibergbau |
13.07.1981 | Ibbenbühren | 4,1 | VI | Kohlebergbau |
13.03.1989 | Völkershausen (Werra-Revier) | 5,6 | VIII-IX | Kalibergbau |
16.05.1991 | Ibbenbühren | 4,3 | VI | Kohlebergbau |
11.09.1996 | Teutschenthal (Saale-Revier) | 4,9 | VII | Kalibergbau |
06.01.200. | Ibbenbühren | 4,2 | VI | Kohlebergbau |
20.10.2004 | Rotenburg/Wümme | 4,5 | Gasförderung | |
23.02.2008 | Primsmulde/Saarland | 4,0–4,2 | Kohlebergbau |
In Deutschland haben Ereignisse, die durch Geothermie induziert wurden, eine Magnitude von 2,3 nicht überschritten. Die Magnituden liegen deutlich unter den in obiger Tabelle angeführten Ereignisse anderer Bergbauzweige. Im Ausland ist, auch bei größeren Ereignissen ein Bezug zur Geothermie meist unklar.
Die Art und Weise, wie geothermische Aktivitäten größere seismische Ereignisse induzieren können sind noch weitgehend unerforscht. Hiezu sind Modellrechnungen (THM-Modellierung) üblich. Für gesicherte Aussagen gibt es viel zu wenig derartiger Ereignisse. Es muss daher auf Erkenntnisse aus anderen Bereichen (meist Erdöl/ Erdgas, Injektion von Fluiden wie flüssigen Abfällen) zurückgegriffen werden. Sicher ist, dass wir zwischen der
unterscheiden müssen. Insbesondere lanfristig überwiegen die Einflüsse von Temperaturänderungen oft die von Porendruckänderungen. Forschungsprojekte für beide Phasen sind angelaufen, denn das Verstehen ist die Grundlage für das Vermeiden. Analoge Forschung auf andern Gebieten der induzierten Seismizität (insbesondere im Rahmen der CCS Forschung) wird hier weitere Erkenntnis bringen. Sowohl bei der Errichtung als auch bei dem Betrieb von Anlagen gibt es eine ganze Reihe von Parametern, die auf das Induzieren von Ereignissen Einfluss haben können. Beim Fracen ist dies beispielsweise:
Diese Einflussfaktoren geben eine Möglichkeit die induzierte Seismizität bei Geothermieprojekten zu beherrschen, sie ermöglichen also einen 'Kontrolliereten Betrieb' der Anlage. Dieser hat in der Regel zumindest die folgenden Komponenten:
Ort | Magnitude/ Jahr | Details zu Zeit und Herdlokation | Geologie, Gestein, Spannung/ Maximaldruck [MPa] | Reservoitiefe (km), Bruchmechanismus |
The Geysers, California, USA | 4.6/ 1982 | Am Rand der seismischen Woke | Metagrauwacke/ 7 MPa | 3 km, Abkühlungsinduzierte Scherbewegung |
Berlin, El Salvador | 4.4/ 2003 | 2 Wochen nach shut-in, an eine vorher nicht gebrochenen Teil der Störung | Junge unverfestigte Vulkanite/ 13 MPa | 2 km, Öffnen uns Schließen eines aktiven Bruches |
Cooper Basin, Australia | 3.5/ 2001 | Granite mit 3.6 km Sedimentüberdeckung, TF/ 68 MPa | 4.1 bis 4.4 km, Bewegung auf vorexistierenden horizontalen Brüchen | |
Alkmaar, Netherlande | 3.5/ 2001 | Sandstein, 2.6 bis 3.1 km Tiefe/ 18 MPa | 2 km, Reactivierung des Roer Valley Rift Störungssystems, Gas Produktion | |
Basel, Sweiz | 3.4/ 2006 | Weige Stunden nach shut-in aber vor bleed-off, am Rand der seismischen Wolke | Granit, Sh= 0.7SV, SH(N144°E±14°)/ 30 MPa | 4.4 to 4.8 km, voresistierende en-echelon-Typ Scherzone |
Soultz-sous-Forets, Frankreich | 2.9/ 2003 | In den Jahren 2000, 2003, 2004 nach shut-in | Granit, NF+SS, SH(N170°E)/ 16 MPa | 4.5 to 5.0 km (GPK3), einzelne große tektonische BRuchzone |
Landau, Deutschland | 2.7/ 2009 | Gegen Ende der zweiten Stimulation an der Basis der seismischen Wolke | Krystallines und sedimentäres Gestein, Sh<SV, SH(NS)/ 5 MPa | 2.8 km, sich öffnende Scherbrücke |
Paralana, Australien | 2.5#, 2011 | Sedimentbecken mit Grundgebirge unter 4km, TF/ 62 MPa | 4 km, Aufschiebungs-Ereignisse | |
Rosmanowes, Cornwall, UK | 2.0, 1987 | Carnmenellis Granite, Batholite/ 16 MPa | 2 km, System natürlicher Brüche | |
KTB, Deutschland | 1.2, 1994 | Gneis, Metagabbro, SS(1-8 km), SH(N160°E)/ 53 MPa | 9.1 km, Forschungsbohrung, Sich öffnende Scherbrüche | |
Groß-Schönebeck, Deutschland | -1.0#, 2007 | Rotliegend Sandsteine, Vulcanite, NF, SH(N18°E)/ 60 MPa | 4.1 km, insgesamt 80 Ereignisse |
Anmerkungen:
Yoon, Jeoung Seok, David Bruhn, Arno Zang, Overview of Geothermal Energy Projects in Europe and the G 592 EISER Project on Induced Seismicity, Tunnel & Underground Space Vol. 23, No. 6, 2013, pp. 581-592 dx.doi.org/10.7474/TUS.2013.23.6.581
Kwiatek, Grzegorz, Tero Saarno, Thomas Ader, Felix Bluemle, Marco Bohnhoff, Michael Chendorain, Georg Dresen, Pekka Heikkinen, Ilmo Kukkonen, Peter Leary, Maria Leonhardt, Peter Malin, Patricia Martínez-Garzón, Kevin Passmore, Paul Passmore, Sergio Valenzuela, Christopher Wollin: Controlling fluid-induced seismicity during a 6.1-km-deep geothermal stimulation in Finland, Sci. Adv. 5, eaav7224 (2019).
Majer, E.L. et al. (2009): Induced Seismicity associated with Enhanced Geothermal Systems, Elsevier. Gross, Fritschen, Ritter: Untersuchung induzierter Erdbeben hinsichtlich ihrer Spürbarkeit und eventueller Schadenswirkung anhand der DIN 4150. In: Bauingenieur Nummer 88 (2013).
Leydecker: Erdbebenkatalog für Deutschland mit Randgebieten für die Jahre 800 bis 2008. In: Geologisches Jahrbuch Nummer E 59 (2011), S. 1-198
Beall, M.J., Stark, M.A., Smith, J.L. & Kirkpatrick, A.: Mircoearthquakes in the Southeast Geysers Before and After SEGEP Injection. In: Geothermal Resources Council Trans. : (1999), Nummer 23, S. 253-259
Benjamin Edwards, John Douglas: Magnitude scaling of induced earthquakes. In: Geothermics Nummer 52 (2014), S. 132-139
Boucher, G, A. Ryall, and A.E. Jone: Earthquakes associated with underground nuclear explosions. In: J. Geophys. Res. , 74, Nummer 74 (1969), S. 3808
Chiou, B., Youngs, R., Abrahamson, N., and Addo, K: Ground-motion attenuation model for small-to-moderate shallow crustal earthquakes in California and its implications on regionalization of ground-motion prediction models. In: Earthquake Spectra , v. Nummer 26 (2010), S. 907-926
Chung , W.Y., Liu , C.: The Reservoir - associated Earthquakes of April 1983 in Western Thailand: source modeling and implications for induced seismicity. In: Pure and Applied Geophysics Nummer 138 (1992), S. 17-41
Groos, Jörn C., Fritschen, Ralf; Ritter, Joachim R. R., Untersuchung induzierter Erdbeben hinsichtlich ihrer Spürbarkeit und eventueller Schadenswirkung anhand DIN 4150, Bauingenieur, 88 (2013) S. 344-384
Davis & Frohlich: New Objective Criteria to Determine if Fluid injection has Induced Earthquakes. In: EOS Transactions Nummer 68 (44) (1987), S. 1369
Davis, S. D., Frohlich , C.: Did (or will) fluid injection cause earthquakes?: Criteria for a rational assessment. In: Seismological Research Letters Nummer 64 (1993), S. 207-224
Deichmann, N. and Giardini, D. : Earthquakes induced by the stimulation of an Enhanced Geothermal System below Basel (Switzerland). . In: Seism Res Letters Nummer 80(5):doi:10.1785/gssrl.80.5.784. (2009)
Evans, J.R., Eberhart-Phillips, D., Thurber, C.H.: User\'s Manual for Simulps12 for maging Vp and Vp/Vs: A Derivative of the “Thurber” Tomographic Inversion Simul3 for Local Earthquakes and Explosions. 94-431. Aufl. U. S.Geological Survey , 1994
Fehler, M., House, L., and Kaieda, H. : Determining planes along which earthquakes occur: Method and application to earthquakes accompanying hydraulic fractures. . In: J Geophys Res Nummer 92 (1987), S. 9407–9414
Weitere Literatur unter Literaturdatenbank und/oder Konferenzdatenbank.
https://www.youtube.com/watch?v=NJ87KJ0SOps
zuletzt bearbeitet August 2022, Änderungs- oder Ergänzungswünsche bitte an info@geothermie.de