Das Verbundvorhaben »SIEGFRIED« hat sich zum Ziel gesetzt, die vorbetriebliche Gefährdungsbeurteilung induzierter Seismizität in der Tiefengeothermie zu optimieren und so Investitionen in diese nachhaltige Energiequelle zu fördern. Insbesondere konzentriert sich das Projekt auf die Niederrheinische Bucht, ein tektonisch und seismisch aktives Gebiet, welches ein vielversprechendes geothermisches Reservoir darstellt.
Programm/ Zuschussgeber | BMBF |
Akronym | Siegried |
Titel/ Thema | SIEGFRIED - Bewertung der seismischen Gefährdung in der Niederrheinischen Bucht zur Nutzung von Tiefengeothermie |
Identifikation/ Zuwendungsnummer | 03EE4058 |
Durchführungszeitraum | 2023-10-01 2026-09-30 |
Geschätzte Kosten/ Zuwendungsbetrag | 1.764.128,58 € |
Sonstiges | - |
Die gewonnenen Erkenntnisse, Ergebnisse und Werkzeuge des Projektes SIEGFRIED werden dazu beitragen, kommende Geothermieprojekte in der Niederrheinischen Bucht zuverlässig, effizient und nachhaltig umzusetzen. Wir wollen Seismizität interdisziplinär verstehen, um der Region im Strukturwandel mit der Tiefengeothermie eine risikoarme und wirtschaftliche Energie- und Wärmeversorgung zur Verfügung zu stellen. Innovationen in Geotechnologien können dazu beitragen, Kompetenzen der Energieregion Niederrhein in eine zukunftsfeste und nachhaltige Energiewirtschaft zu überführen, die nicht nur Versorgung lokal sichert, sondern auch neue Geschäftsmodelle eröffnet. Das am Standort des RWE-Kraftwerkes Weisweiler geplante Reallabor zur Geothermie bietet hier aufgrund der geologischen Situation und der im EU-Interreg-Projekt »DGE-Rollout« erfolgten Vorerkundungen gute Voraussetzung für eine Umsetzung der gewonnenen Erkenntnisse.
Disziplinübergreifendes Verständnis Hauptrisiken der Tiefengeothermie sind hohe Unsicherheiten über die Existenz, Lage und Orientierung geologischer Strukturen im Untergrund und die daraus resultierende hohe Unsicherheit über das Potential seismische Ereignisse zu induzieren.
Die natürliche Seismizität der Niederrheinischen Bucht zeichnet sich durch eher moderate Stärke aus: Kaum vom Menschen spürbar, aber dennoch kontinuierlich messbar. Durch die großräumige Bewegung der tektonischen Erdplatten kommt es zu lokalen Störungen und Spannungen, die sich fortlaufend in kleinen Erdbeben entladen. In der Vergangenheit ist es in anderen Regionen gelegentlich passiert, dass der Betrieb einzelner geothermischer Kraftwerke die Spannungen ungünstig verändert hat und Erdbeben induziert wurden. Jedoch zeigen dutzende laufende Kraft- und Heizwerke in München, Paris und den Niederlanden, dass Anlagen auch ohne induzierte Seismizität betrieben werden können. Ein vertiefendes Verständnis der Spannungsverhältnisse im Untergrund, wie das Verbundvorhaben »SIEGFRIED« es nun herstellen will, ist die Basis für eine Standortwahl, die induzierte Seismizität unwahrscheinlich macht.
Zu Anfang führt das SIEGFRIED-Projekt die vorhandenen Daten aller Partner und öffentliche Datensätze zusammen. Dies sind Daten über die Untergrundgeometrie, Eigenschaften der Lagerstätte und geomechanischen Spannungszustände. Datenlücken schließt das Team mit neuesten wissenschaftlichen Messungen etwa von seismischen Wellen, Bodenbewegungen oder auch Gestein-Spannungen in vorhandenen Bohrlöchern. Es bestimmt auch die Lage der relevanten Gesteine in Steinbrüchen und Aufschlüssen sowie Materialeigenschaften von Proben im Labor. Mit den Daten entwickelt es numerische Modelle, analysiert die Stabilität von geologischen Verwerfungen und bestimmt räumlich aufgelöst die seismische Gefährdung der Niederrheinischen Bucht. Durch die Zusammenführung von Daten aus verschiedenen Disziplinen und auf verschiedenen Skalen werden Randbedingungen und Kalibrierungsmöglichkeiten optimiert.
Aufbauend auf diesen Modellen und Analysen simuliert das Projekt den Effekt der Thermalwassernutzung zwischen Aachen und Düren. Im Betrieb fördert eine Geothermieanlage warmes Wasser, entzieht ihm die Wärme und gibt das erkaltete Wasser wieder in die Tiefe, wo sich Temperatur, Druck und Spannung der Gesteine ändern können. Das Projekt wird modellieren, wie sich dies auf umgebende Verwerfungen und die natürliche Seismizität großräumig und dynamisch auswirkt. Alle Informationen über die Stabilität der Störungen, Art der Hintergrundseismizität und entwickelten Modelle fließen in räumlich Karten und stehen kommenden Projektentwicklern und interessierten Bürgern zur Verfügung. Die Ergebnisse können die Basis bilden für die Standortwahl einer Anlage, für Schwellenwerte der Betriebsparameter sowie für detaillierte Überwachungskonzepte des Betriebs.
Das Verbundvorhaben »SIEGFRIED« wird maßgeblich dazu beitragen, kommende Geothermieprojekte sicherer, effizienter und nachhaltiger zu gestalten. Die gewonnenen Erkenntnisse und die entwickelten Anwendertools werden Investitionen in den Geothermiesektor in Deutschland vorantreiben. Die Ergebnisse des Projektes erlauben interessierten Unternehmen mit Prozesswärmebedarf und Stadtwerken, die kommunale Fernwärmenetze planen, eine Kosten-Nutzen-Abwägung für Tiefengeothermie in der Region und verringern so die Unsicherheit der Investitionen. Die entwickelten Arbeitsabläufe können sowohl auf andere Regionen als auch auf andere Technologien (etwa Grundwassermanagement und untertägige Wärme- oder Wasserstoffspeicherung) angewendet werden.
Fraunhofer-Gesellschaft zur Förderung der angewandten Forschung eingetragener Verein - Fraunhofer-Einrichtung für Energieinfrastrukturen und Geothermie IEG,Seismologische Spannungsanalyse. In diesem Teilvorhaben wollen wir in beiden Aspekten Fortschritte machen, in dem wir dynamische seismologische Modelle des Untergrunds erarbeiten. Aus der Kombination der innovativen seismischer Verfahren der Migration und Interferometrie werden wir dynamische Modelle erarbeiten. Diese Modelle verdeutlichen die seismische Reaktion des Untergrundes auf temporäre Veränderungen von Spannungen. Dazu werden Herdflächenlösungen mit Änderungen von seismischen Geschwindigkeiten korreliert. Ziel ist das Abschätzen von Schwellenwerten für Spannungsänderungen, die lokale Seismizität auslösen können. Die Interpretation dieser lokalen Änderungen in Hinblick auf eine geothermische Nutzung des Untergrunds hilft der Standortauswahl und somit der Reduzierung der seismischen Gefährdung. Wir werden einen neuen Arbeitsablauf entwickeln, um die seismische Gefährdung durch Tiefengeothermie in der Niederrheinischen Bucht abzuschätzen. Dieser Arbeitsablauf wird einen räumlich aufgelösten Erdbebengefährdungsindex beinhalten, der auf intuitive Weise die seismische Gefährdung der Region kommuniziert.
Ruhr-Universität-Bochum - Fakultät für Geowissenschaften - Institut für Geologie, Mineralogie und Geophysik - Geophysik,Physikalische Vorgänge bei der Aktivierung von Störungen. Im Teilvorhaben 'Physikalische Vorgänge bei der Aktivierung von Störungen' des Verbundvorhabens 'SIEGFRIED ' fokussieren wir uns auf einen seismologische und geologischen Ansatz, um zu quantifizieren, unter welchen Bedingungen eine Störung (re-)aktiviert wird und ob es zu seismischen oder aseismischen Versagen kommt. Wir ermitteln präoperativ die Seismizitätsrate zur präzisen Messung möglicher künftiger Veränderungen. Mit Distributed Acoustic Sensing und GNSS-Messungen überwachen wir auch den niedrigen Frequenzbereich und mögliche aseismische Verformung. Dazu kommen die strukturgeologischen Messungen von Störungsrichtung in Steinbrüchen, exhumierten geothermischen Reservoiren, sowie die gesteinsphysikalische Bestimmung von Reibungseigenschaften an Handstücken. Basierend auf den vorherigen Ergebnissen dieses Teilvorhabens und den Ergebnissen der Teilvorhaben der Projektpartner modellieren wir realistische Injektionsszenarien mit Hilfe von Multiphysik-Modellen zur Bewertung der Wahrscheinlichkeit einer Störungsreaktivierung. Die resultierende seismische Gefährdungskarte der Niederrheinischen Bucht, sowie die im Projekt vorgeschlagene best-practice Richtlinie, wird den Betrieb von Geothermieanlagen optimieren, weil seismische Risiken und damit das ökonomische Risiko für Unternehmen verringert wird, indem empfindliche Strukturen vermieden werden können und Zonen mit höherer Permeabilität identifiziert werden, die eine bessere Zirkulation von Flüssigkeiten ermöglichen.
RWE Power Aktiengesellschaft, Untersuchung und Steuerung der natürlichen und induzierten seismischen Verhältnisse am Geothermie- Standort Weisweiler. In diesem Projekt schlagen wir eine vollumfängliche seismotektonische Studie vor, die unter Verwendung von modernsten seismologischen und geomechanischen Arbeitsabläufen und Methoden neue Strategien zur Bewertung der seismischen Gefahren vor dem Betriebsbeginn entwickelt. Mit kontinuierlichen Daten der Bodenbewegungen, einem detaillierten Erdbebenkatalog, Bohrprotokollen, hydrogeologischen und gesteinsphysikalischen Parametern können wir verschiedenste Aspekte potentieller geothermischer Reservoirs quantifizieren und unter realistischen Bedingungen modellieren. Diese Untergrundmodelle erlauben anschließend Langzeitsimulationen der Spannungsveränderungen und Simulationen der seismischen Wellenausbreitung. Mit den entwickelten Arbeitsabläufen demonstrieren wir fiktive geothermische Standorte in der Niederrheinischen Bucht. Durch optimierte Standortauswahl auf Basis von probabilistischen Untergrundmodellen kann die Gefahr von induzierter Seismizität grundsätzlich reduziert werden. Die Ergebnisse dieses Projekts werden Investitionen in den Geothermiesektor auslösen und somit den Geothermiemarkt in Deutschland stärken und eine schnellere Expansion ermöglichen. Diese Entwicklung ist notwendig, um die von der Generalversammlung der Vereinten Nationen in der Agenda 2030 festgelegten Energieziele zu erreichen.
Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule Aachen - Fakultät 5 - Georessourcen und Materialtechnik - FG für Geowissenschaften und Geographie - Lehrstuhl für Ingenieurgeologie und Hydrogeologie, Gegenwärtiger Krustenspannungszustand und Störungsstabilität in der Niederrheinischen Bucht. SIEGFRIED zielt darauf ab, neue Standards für die geothermische Exploration in der Niederrheinischen Bucht und darüber hinaus einzuführen sowie neue Methoden und Arbeitsabläufe zu schaffen, um große Mengen an interdisziplinären und maßstabsübergreifenden Daten in Studien zur seismischen Gefährdung zu kombinieren. Es ist der erste Versuch dieser Art, geomechanische und seismologische Ansätze zu kombinieren, um ein gemeinsames Bild der seismischen Gefährdung zu erstellen und so darzustellen, dass die Energiebetreiber es für die Planung, den Aufbau und später den Betrieb tiefer geothermischer Systeme in der Niederrheinischen Bucht nutzen können. SIEGFRIED wird zum ersten Mal die direkte Messung des Spannungstensors in den Tiefen eines tiefen geothermischen Reservoirs in der Niederrheinischen Bucht ermöglichen. Diese Informationen werden die Kalibrierung von physikalisch informierten numerischen Modellen der Krustenspannung und ihrer anthropogenen Veränderungen in situ ermöglichen sowie die seismische Gefährdungsabschätzung unterstützen. Letztendlich besteht die Hauptaufgabe der RWTH innerhalb von SIEGFRIED darin, den Zustand der initialen Spannung, die Stabilität der Hauptstörungszonen und die anthropogenen Spannungsänderungen zu verstehen, die während der geothermischen Produktion in der Niederrheinischen Bucht entstehen.
Geothermie-Standort Weisweiler, NRW
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zuletzt bearbeitet Dezember 2023, Änderungs- oder Ergänzungswünsche bitte an info@geothermie.de