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Tunnelgeothermie

Die Tunnelgeothermie ist eine Sonderform des Entzuges geothermischer Energie aus dem Untergrund.

Je nach Tiefe des Tunnels herrschen in diesem Temperaturen, die eine Nutzung des aus dem Tunnel austretenden Wassers oder vom Wasser, das im Tunnel in einem Röhrensystem geführt wurde, zulassen. Als Wärmeübertrager im Tunnel werden meist spezielle vorgefertigte Tübinge eingesetzt. Unter dem Begriff Tunnel können in diesem Zusammenhang alle Arten von eingeerdeten größeren Rohrleitungen verstanden werden, z. B. auch Unterdükerungen.

Vorraussetzung für einen wirtschaftlichen Einsatz ist, dass in der Nähe des Tunnelmundes Verbraucherpotenzial vorhanden ist. In der Regel ist der Einsatz einer Erdwärmepumpe zur Anhebung der Nutztemperaturen notwendig.

Tunnel in offener Bauweise

Bei Tunneln in offener Bauweise können die klassischen Energiefundierungen (Pfähle, Bodenplatten, Schlitzwände, Bohrpfahlwände) eingesetzt werden, da diese Elemente ohnehin Bestandteil des Tunnels sind.

Der weltweit erste „Energietunnel“ in offener Bauweise wurde 2001 in Wien errichtet. Beim Bau des Lainzer Tunnels (Baulos „LT24 - Hadersdorf / Weidlingau“) wurden 60 Pfähle einer Bohrpfahlwand thermisch aktiviert (z. B. Brandl, 2006). In Summe wurden 80 Absorberkreise mit einer Gesamtlänge von 9.709 m auf einer Tunnellänge von 252 m installiert (Markiewicz, 2004). Die Anlage wurde 2004 erfolgreich in Betrieb genommen. Die Leistung liegt bei ca. 150 kW bzw. 214 MWh (Jahres-Wärmearbeit), die zur Beheizung einer Schule verwendet wird (Brandl, 2006). In einem zweiten Bauabschnitt (Baulos „LT44 - Güterschleife“) wurden darüber hinaus Energiebodenplatten und Energieschlitzwände eingesetzt.

Auf Grund der positiven Erfahrungen beim Bau des Lainzer Tunnels wurden auch bei der Verlängerung der U-Bahn-Linie U2 in Wien die Stationen „Schottenring“, „Taborstraße“, „Praterstern“ und „Messe“ im Jahre 2003 mit einer geothermischen Anlage ausgestattet. In Summe wurden 11.200 m² Schlitzwände, 6.912 m² Bodenplatte und 20 Pfähle thermisch aktiviert (Brandl, 2006). Die installierte Heizleistung der vier Stationen beträgt 827 kW, während die installierte Kühlleistung der vier Stationen 509 kW beträgt. Die gewonnene Heiz- und Kühlenergie wird für die einzelnen Stationen jeweils zur Versorgung der Betriebsräume verwendet (Brandl et al., 2010).

Tunnel in geschlossener Bauweise

Bei Tunneln, die in geschlossener Bauweise hergestellt werden, sind im Gegensatz zu Tunneln in offener Bauweise Sondersysteme erforderlich. Dies ist vor allem darauf zurückzuführen, dass ein Tunnel in geschlossener Bauweise abschnittsweise hergestellt wird, sodass die Verwendung von durchgehenden Absorberleitungen schwierig ist. Darüber hinaus ist eine wirtschaftliche Installation nur möglich, wenn die Herstellung der geothermischen Anlage in den Bauablauf integriert werden kann und somit keine Bauverzögerungen entstehen.

Die möglichen geothermischen Systeme unterscheiden sich für bergmännische hergestellte Tunnel oder maschinell aufgefahrene Tunnel. Während bei bergmännischen Tunneln die Absorberrohre zwischen Außen- und Innenschale angeordnet werden können, müssen sie im maschinellen Tunnelvortrieb direkt in die Auskleidungselemente (Tübbinge) integriert werden.

Zur Erprobung der Erdwärmenutzung im bergmännischen Tunnelbau wurde von der TU Wien in Zusammenarbeit mit der Firma Polyfelt der Prototyp eines Energievlieses entwickelt (Markiewicz, 2004). Erste Überlegungen zum Energievlies sind auf das Jahr 2002 zurückzuführen (Adam, 2010), die letztendlich dazu führten, dass die Absorberrohre (PE-Rohre) elementweise in ein Schutz- und Drainagevlies integriert wurden. Die Elemente weisen eine Breite von 2,5 m auf, was der üblichen Vliesbahnbreite entspricht. Die einzelnen Kreisläufe sind durch eine Sammelleitung verbunden, welche im Ulmenbereich zum Abnehmer (Betriebsraum) geführt wird (Markiewicz, 2004). Durch die Elementbauweise können mehrere Kreisläufe parallel betrieben bzw. im Schadensfall separat abgekoppelt werden. Im Idealfall wird das Vlies werkseitig mit Rohren ausgestattet. Dadurch ist kein zusätzlicher Arbeitsschritt im Bauablauf nötig und die Rohre werden beim Betonieren der Innenschale durch das Vlies geschützt (Markiewicz, 2004). Der Prototyp des Energievlieses wurde in einer Versuchsanlage im Lainzer Tunnel (Bauabschnitt „LT22-Bierhäuselberg“) im Februar 2004 erstmalig in Betrieb genommen (Markiewicz, 2004). Im

Während für das Energievlies auf Basis einer gewichteten Bewertung verschiedener Faktoren eine Serienschaltung mit einer Verlegerichtung parallel zur langen Vliesseite gewählt wurde (Markiewicz, 2004), wurde in Stuttgart die hydraulisch günstigere Parallelschaltung mit querverlegten Rohren bevorzugt (Schneider, 2013). Im Feldversuch in Südkorea wurden bei einer Querverlegung bessere Leistungen als bei einer Längsverlegung erzielt (Lee et al., 2012). Die Beurteilung erfolgte hier allerdings nur nach energetischen Gesichtspunkten. Es zeigt sich somit, dass die optimale Rohrverlegung stets projektabhängig auf Basis der vorhandenen Rand- und Rahmenbedingungen erfolgen sollte.

Für maschinell erstellte Tunnel wurde von den Firmen Rehau AG + Co und Ed. Züblin AG (Zentrale Technik) der Energietübbing® entwickelt. Beim Energietübbing werden die Absorberleitungen an der Innenseite der äußeren Bewehrung des Tübbings befestigt, sodass die Betonüberdeckung nicht beeinflusst wird. Die Kopplung der Tübbinge bzw. die flüssigkeitsdichte Verlegung der Leitungen erfolgt über eine Kupplungstasche im Betonbauteil, um das Lichtraumprofil nicht zu beeinflussen. Die Aussparungen sind so gestaltet, dass weder die äußere Dichtungsschicht noch die Statik des Tübbings beeinträchtigt werden (Frodl et al., 2010). Die Kopplung der Absorberleitungen erfolgt nach dem Einbau der Tübbinge, aber noch vorm Betonieren der Innenschale. Die thermische Anbindung des Tübbings an den Untergrund erfolgt durch den Zement der Ringspaltverpressung, daher ist hier die Verwendung von thermisch verbesserten Zementen sinnvoll (Schneider & Vermeer, 2010).

Die Effizienz der Energietübbinge wurde erstmalig im Katzenbergtunnel getestet. Dort wurden 24 Energietübbinge zu vier Ringen verbunden. Die gemessenen Entzugsleistungen lagen zwischen 10 W/m² und 20 W/m² (Pralle et al., 2010). Die erste großflächige Anwendung des Energietübbings erfolgte im Eisenbachtunnel Jenbach (Österreich). Hier wurden über einen Bereich von 54 m 27 Tübbingringe verbaut (Winterling, 2012). In jedem Tübbing wurden 25 m Leitungen verlegt, sodass pro Ring ca. 175 m Rohre vorhanden sind (Frodl et al., 2010). Die thermische Anlage soll die Grundlastversorgung des Betriebshofs der Gemeinde Jenbach übernehmen. Die Anlage ging im Winter 2011/2012 erstmalig in Betrieb (Winterling, 2012). Aktuelle Betriebsdaten sind bis dato nicht veröffentlicht.

Die thermische Aktivierung von Tübbingen ist auch in London („Crossrail“-Projekt) geplant (Nicholson et al., 2013). Die dort vorgesehenen „Thermal Energy Segments“ entsprechen im Wesentlichen dem Aufbau des Energietübbings. Neben dem Einsatz zum Heizen von Betriebsgebäuden oder angrenzenden Gebäuden ist auch der Einsatz zum Kühlen vorgesehen, um den stetigen Temperaturanstieg im Londoner Untergrund  zu reduzieren (Nicholson et al., 2013). Zur Vermeidung von zu hohen Druckverlusten werden die Tübbingringe zu 250 m bis 400 m langen Abschnitten zusammengefasst.

Die möglichen Entzugsleistungen geothermischer Systeme für Tunnel in geschlossener Bauweise sind stark projektabhängig, da vor allem die Tunnelgeometrie (Tunneldurchmesser) sehr unterschiedlich ausfällt. Für eine Machbarkeitsstudie können Entzugsleistungen von 13 W/m² bis 15 W/m² für ein Energievlies (Adam & Oberhauser, 2008) bzw. 10 W/m² bis 20 W/m² für einen Energietübbing veranschlagt werden (Pralle et al., 2010).

Literatur

Barla, M., Di Donna, A., Perino, A.:
Application of energy tunnels to an urban environment. In: Geothermics Nummer () (May 2016), S. 104-113

Bundesamt für Energie & ARGE ZEWI: Gewinnung geothermischer Energie aus dem Vereina-Tunnel: Phase 2. Bern : 1998.

Bundesanstalt für Energiewirtschaft & Visani &Talleri AG: Gewinnung geothermischer Energie aus Tunneln: Gotthard. Bern : 1996.

Kämpfen, E.: Nutzung des geothermischen Energiepotentials im Simplontunnel.
Ecole Polytechnique Fédérale Lausanne /EPFL, 1993.

Kürten, S.: Zur thermischen Nutzung des Untergrunds mit flächigen thermo-aktiven Bauteilen, Dissertation, Fakultät für Bauingenieurwesen:
Aachen : Dissertation, Fakultät für Bauingenieurwesen, RWTH Aachen University, 2014.

Loredo, C., Banks, D., Roqueñí, N.: Evaluation of analytical models for heat transfer in mine tunnels. In: Geothermics Nummer 69() (September 2017), S. 153-164

Weitere Literatur siehe:

zuletzt bearbeitet Oktober 2024, Änderungs- oder Ergänzungswünsche bitte an info@geothermie.de